Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 146
146
Befehl derartige Fälle zu bearbeiten hatten, ging es rechtstechnisch um
„mittelbare Täterschaft“. Stellte sich eine bewusste Schädigung heraus, so
wurden Haftstrafen ausgesprochen.
1949 korrespondierten die 201-Richter von Erfurt und Gera in der Frage
der Bewertung von Denunziationen. Der Vorsitzende 201-Richter in
Erfurt – inzwischen war dies Dr. Schimmel – vertrat im Unterschied zum
Geraer Kollegen den Standpunkt, dass Denunziation nicht nur Beihilfe,
sondern auch aktive Täterschaft bedeuten konnte, falls eine entsprechende
Gesinnung, ein böswilliger Vorsatz und ein Eigeninteresse beim Denunzianten
erkennbar waren. 332
Erfurter 201-Urteile mit Haftstrafen wurden im Frühjahr 1948 in der Großen
Strafkammer gesprochen gegen:
Ein Fleischermeister (Zellenamtsleiter der NS-Kriegsopferversorgung)
erhielt 1 Jahr und 6 Monate Haft sowohl wegen NS-Verherrlichung, als
auch wegen Anzeige angeblicher Sabotage an seiner Arbeitsstelle, was zu
Gestapo-Ermittlungen dort geführt hatte.
Dasselbe Strafmaß (gelegentlich auch weniger) wurde wiederholt bei
gleichgelagerten Fällen mit Schuldnachweis verhängt.
Ein Erfurter Arbeiter (NSV-Blockleiter) bekam 1 Jahr Internierung als
Funkstellenleiter, während andererseits seine Anzeige gegen einen evangelischen
Pfarrer, welcher Hitlers 4-Jahresplan öffentlich kritisiert hatte,
mangels Schuldbeweises unberücksichtigt blieb.
Mit vier Jahren Internierung lag die Strafe gegen einen Kriminalpolizisten,
der im Erkennungsdienst der Berliner Gestapo tätig war und sich zwei
Jahre lang mit falschem Namen in Thüringen aufgehalten hatte, etwas
über dem Durchschnitt.
Fünf Jahre Internierung erhielt ein Erfurter SA-Rottenführer, der in Köln
und Erfurt nicht nur als Kriegsredner und Verbindungsmann zum SD aufgetreten
war, sondern auch eine Nachbarin wegen Rundfunkempfangs
angezeigt hatte.
Höher – im Vergleich zu allen anderen Denunziationsfällen – lag das
Strafmaß gegen eine Erfurterin, die vier Jahre Zuchthaus bekam. Sie hatte
eine jüdische Nachbarin mehrfach angezeigt und schikaniert, was vom
Gericht als Mitwirkung an der „Verfolgung aus rassischen Gründen“ gewertet
wurde.
In den kleinen 201-Kammern gab es zahlreiche Urteilssprüche mit Geldstrafen
gegen Personen, die Falschangaben über ihre NS-Mitgliedschaften
in Fragebogen angegeben hatten.
Kritiken an den Urteilssprüchen und zu geringen Strafmaßen erfolgte von
mehreren Seiten. Wollten SMA-Offiziere zwar schnelle Erledigung, so