Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de
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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 62<br />
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die Befugnisse von <strong>Polizei</strong>, Staatsanwalt <strong>und</strong> Richter zugleich ausüben<br />
durften. Für die davon Betroffenen war es nicht unbed<strong>in</strong>gt erkennbar, dass<br />
– vielleicht direkt während e<strong>in</strong>es Verhörs – über sie e<strong>in</strong>e Strafentscheidung<br />
per Son<strong>de</strong>rberatung gefällt wur<strong>de</strong>. Solche „Son<strong>de</strong>rberatungen“<br />
konnten für NKWD-Gruppen e<strong>in</strong> zweckmäßiges Instrumentarium se<strong>in</strong>,<br />
wenn es darum g<strong>in</strong>g, Statistiken zu erhöhen, fehlen<strong>de</strong> Strafgrün<strong>de</strong> <strong>und</strong> Beweise<br />
zu vertuschen, <strong>Haft</strong>befehle „aus Pr<strong>in</strong>zip“ aufrechtzuerhalten o<strong>de</strong>r<br />
aber im großen Stil nach <strong>de</strong>m Gr<strong>und</strong>satz zu verfahren: „Lieber zehn Unschuldige<br />
zuviel, als e<strong>in</strong>en Antisowjetischen zuwenig“. (Vermutlich war<br />
dieser son<strong>de</strong>rgerichtliche Status <strong>de</strong>s NKWD auch e<strong>in</strong> wichtiger Gr<strong>und</strong><br />
dafür, dass Internierte nicht als Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge galten <strong>und</strong> <strong>de</strong>shalb<br />
1948 auch nicht generell freigelassen wer<strong>de</strong>n sollten.)<br />
Die Sowjets brachten auch ihr eigenes Strafprozessrecht mit. Es enthielt<br />
e<strong>in</strong> erheblich verkürztes Strafverfahren, war nicht öffentlich <strong>und</strong> schloss<br />
alle wichtigen Angeklagtenrechte aus: – also ke<strong>in</strong>e Zeugenanhörung,<br />
ke<strong>in</strong>e Verteidiger <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Begnadigung. Das Verfahren durfte nicht länger<br />
als zehn Tage dauern.<br />
Das sowjetische Justizsystem war jeglicher äußeren Kontrolle völlig entzogen.<br />
We<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>ren Alliierten noch die <strong>de</strong>utschen Juristen konnten<br />
Näheres erfahren o<strong>de</strong>r gar e<strong>in</strong>greifen. Es fußte auf <strong>de</strong>r im Stal<strong>in</strong>‘schen<br />
Staat vorherrschen<strong>de</strong>n Vermischung von Macht, I<strong>de</strong>ologie <strong>und</strong> Rohheit<br />
sowie auf e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>formierten Beziehung Justiz – <strong>Polizei</strong>gewalt.<br />
Die sowjetischen Militärjuristen <strong>und</strong> NKWD-Leute mit Son<strong>de</strong>rgerichtsbefugnis<br />
kamen nicht nur mit diesem Rechtsverständnis, son<strong>de</strong>rn sie waren<br />
letztlich auch von persönlichen Empf<strong>in</strong>dungen o<strong>de</strong>r Beweggrün<strong>de</strong>n bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Vieles davon ist nachvollziehbar, <strong>de</strong>nn es h<strong>in</strong>g zusammen mit <strong>de</strong>r<br />
vielfältigen <strong>de</strong>utschen Kriegsschuld, <strong>de</strong>n immensen Schä<strong>de</strong>n für das eigene<br />
Land <strong>und</strong> <strong>de</strong>r unmittelbaren Situation. Das brachte auch subjektive,<br />
Rache-orientierte Gerechtigkeits-Gefühle <strong>in</strong> die Militärjustiz e<strong>in</strong>.<br />
Die sowjetische Justiz bearbeitete systematisch die Verfahren zu – echten<br />
<strong>und</strong> verme<strong>in</strong>tlichen – NS-, Kriegs- <strong>und</strong> Anti-Besatzungsverbrechen, die<br />
ihr die sowjetische <strong>Polizei</strong> zuarbeitete. Sie konnte je<strong>de</strong>rzeit auch <strong>in</strong> Aktion<br />
treten im Falle fehlen<strong>de</strong>r „Möglichkeiten“ <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Justizwesens, –<br />
z. B. wenn Polizisten Leute verhafteten, die sie bei <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Justiz<br />
nicht „los wur<strong>de</strong>n“ bzw. wenn die Sowjets partout <strong>Haft</strong> wollten, obwohl<br />
<strong>de</strong>utsche Richter Freispruch sprachen. Selbst nach 1950 übergab die<br />
DDR-Staatssicherheit ihre Untersuchungsvorgänge wie<strong>de</strong>rholt an die<br />
Sowjets <strong>und</strong> ihre Tribunale.