Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 27
27
fentragerecht. Die Kontrolle ihrer Tätigkeit überließen die Amerikaner im
wesentlichen dem Erfurter Oberbürgermeister.
Oberbürgermeister Gerber übertrug am 2. Mai das Amt des obersten
Stadtpolizisten an Erwin Martin, einem ihm als Antifaschisten bekannten
Erfurter. 37 Martin hatte während seiner Amtszeit auch Kontakte zum CIC.
Bei einer späteren Personalrückfrage äußerten sich CIC-Leute dahingehend,
dass Martin es war, der diesen Kontakt gesucht habe, dass aber von
einer Mit- und Zusammenarbeit Martins für den CIC keine Rede sein
könne. 38 Martin blieb allerdings nur sechs Wochen im Amt, denn nach
einem Fehlverhalten der Melchendorfer Polizei beim Umgang mit einem
Toten sorgte Major Stewart persönlich für Martins Entlassung, weil
dessen Tätigkeit “unsatisfactory“ (=unbefriedigend) war.
Gerber setzte daraufhin Thiemann, einen polizeierfahrenen Sozialdemokraten,
als Martins Nachfolger ein. 39 Der Schlesier Dr. Thiemann war ab
1916 im preußischen Polizeidienst (1922–27 in Erfurt), bevor er laut
Lebenslauf 1932 entlassen und 1933 selbst zeitweise im KZ Lichtenberg
inhaftiert war. In der NS-Zeit juristischer Repetitor in Breslau, hatte er
sich 1945 nach Erfurt geflüchtet. 40 Er führte die Erfurter Polizei zwei
Monate, bis ihn – nach Einzug der Sowjets – das NKWD durch den Kommunisten
Bredehorn ablöste und er selbst zur Landespolizei ging.
Die Amerikaner hatten die Polizei dem Oberbürgermeister unterstellt. Das
war aber in der Praxis nicht so einfach und führte auch zu gewissen Kompetenzunsicherheiten
zwischen Gerber und Thiemann, wobei letzterer um
polizeiliche Eigenständigkeit rang und die städtische Rechtsstelle mit
ihren Gutachten eine hilflose Zwischenposition einnahm. Thiemann bemühte
sich zuallererst um die alte Bezeichnung „Polizeipräsident“, was
letztlich auch eine Frage seiner Amtsgewalt war. Als einstiger preußischer
Landespolizei-Beamter konnte Thiemann eine städtische Unterstellung
der Polizei nicht nachvollziehen und glaubte wohl an eine schnell funktionierende
Landesregierung, so dass er eine zeitweise unkontrollierte Sonderstellung
der Polizei bevorzugte, die dann schneller wieder auf eine
staatliche Ebene gebracht werden könnte. Thiemann legte – mit Zustimmung
städtischer Verwaltungsjuristen –besonderen Wert darauf, dass
„der Polizeipräsident dem Oberbürgermeister lediglich in der Weise unterstellt
(ist), wie die Chefs der anderen hier in Erfurt bestehenden Reichsund
Landesbehörden auch.“ 41
Gerber widersprach dem nicht und beschloss Ende Mai auf Anraten seiner
Rechtsstelle,