Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:35 Seite 247
247
14. Politische Strafprozesse (1950–51)
Im Herbst 1949 war es unter SED-Einfluss zur Gründung der DDR auf
dem Territorium der SBZ gekommen. In die erste Verfassung wurde auch
die Verfolgung von „gefährlichen Deutschen“ übernommen, – Artikel 6.
Das war weder regulärer Staatsschutz noch akzeptable Kriminalisierung
von NS-Gedankengut, sondern zielte darauf, demokratrische Kritik als
„Hetze“ gegen DDR, DDR-Politiker und Institutionen zu diffamieren und
zu bestrafen und stellte somit letztlich jeden demokratischen Machtwechsel
infrage. Obwohl Verfassungstext wurde der Artikel 6 bald wie ein
Strafrechts-Paragraph 533 benutzt. Er beinhaltete ein fundamentales Demokratie-Problem:
Was geschieht, wenn Kritik an „demokratischer“ Politik
zur Voraussetzung für Wahrnehmung demokratischer Rechte wird und die
Politik die Kritik ausschließt? Laut DDR-Verfassung: entweder Verzicht
aufs demokratische Recht oder Zuchthaus. – Es besteht angesichts vieler
anderer SED-Handlungen 1949/50 kein Zweifel daran, dass genau dies
die kalkulierte Absicht war.
Die SMA-Politik, der öffentliche Personalumbau unter Hinzunahme von
Ungelernten und Kommunisten, die Zonengrenzen, der fehlende Wirtschaftsaufschwung
– all das hatte ab 1945 wiederholt zu politischen Unmutsäußerungen
geführt. Mit und nach Gründung des SED-Staates aber
gab es eine neue Dimension politischer Kritiken und Unmutsäußerungen.
Neue, stärkere Anlässe für Proteste bildeten jetzt die offensive SED-
Machtpolitik, die feind-ideologische Kriminalisierung des politischen
Lebens und die Verengung aller Zukunftsoptionen auf deutsche Teilung
bzw. Sowjet-Satellitenstaat. In den Akten von 1949–51 finden sich Hinweise
auf zunehmende Protestäußerungen gegen die SED.
Unmittelbar vor DDR-Gründung gab es in Thüringen Vorfälle wie die
Aufschrift „Pieck ist ein Landesverräter“ auf einem durch Greiz fahrenden
Güterzug, mehrere „F“-Symbole in Unterwellenborn und Neustadt.
Zum SED-Kreisvorstand Arnstadt gelangte ein Flugblatt mit der Frage:
„Warum ist die SED rückschrittlich?“
und den Antworten:
„Die SED nimmt sich heraus, das deutsche Volk ständig als Masse zu behandeln“
und es „...werden in rührend geistloser Art sämtliche sowjetischen
Einrichtungen nachgeahmt...weil der SED eigene deutsche Ideen fehlen.“ 534
Weitere Vorfälle von Ende 1949 wurden von SED-Beamten sofort als
Untergrundbewegung definiert: Es kursierten Druckmaterialien, wie die
der „Deutschen Freiheitsliga“, die „Rote Fahne der freien KPD“, Um