Jugend und Polizei – Eine qualitative Studie zu ... - Polizei-Newsletter
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systematischen Aufklärung über Strukturen <strong>und</strong> Prozesse sozialer Kontrolle sieht“<br />
(Brusten/Feest/Lautmann, 1975, Einleitung). Die bereits erwähnte Definitionsmacht leitet<br />
Kirch <strong>zu</strong>m einen aus den Erwartungen der polizeilichen Organisation, die darüber hinaus auch<br />
keine Sanktionsmittel <strong>zu</strong>r Eindämmung der Definitionsmacht anwendet, <strong>und</strong> <strong>zu</strong>m anderen aus<br />
den unmittelbaren Erwartungen der Kollegen ab, die <strong>zu</strong> einem learning by doing, einer<br />
gelebten Praxis <strong>und</strong> <strong>zu</strong> einer sich dadurch selbst erhaltenden Selektionsmacht führt (vgl.<br />
Kirch, 1975, S.119ff.). Weiters aus der Konfliktsituation selbst (schwerwiegende Verstöße<br />
gegen Strafrechtsbestände vs. sonstiger Vorfälle) <strong>und</strong> dem Verhalten der interagierenden<br />
Konfliktparteien (vgl. Kirch, 1975, S.122f.).<br />
Fasst man die Ergebnisse der <strong>Studie</strong> kurz <strong>und</strong> prägnant <strong>zu</strong>sammen, so kann gesagt werden,<br />
dass es <strong>–</strong> unter der Vorausset<strong>zu</strong>ng, dass keine schwerwiegenden Strafrechtsdelikte vorliegen <strong>–</strong><br />
die Kooperationsbereitschaft <strong>und</strong> Anerkennung der polizeilichen Autorität sind, die Polizisten<br />
im Falle eines Einschreitens bei privaten Konflikten eher da<strong>zu</strong> veranlassen, <strong>zu</strong> informellen<br />
Mitteln <strong>zu</strong> greifen. Unter diesen versteht Kirch das Richten, sprich, <strong>zu</strong> entscheiden, wer im<br />
Recht <strong>und</strong> wer im Unrecht ist (vgl. Kirch, 1975, S.116 <strong>und</strong> S.124ff.). Wenn auch hier von<br />
einem familiären Hintergr<strong>und</strong> ausgegangen wird, ist durchaus vorstellbar, dass die Wahl eines<br />
Sanktionsmittels im Zuge der Interaktion zwischen Beamten bzw. Beamtinnen <strong>und</strong><br />
<strong>Jugend</strong>lichen davon abhängig sein kann, ob der bzw. die <strong>Jugend</strong>liche die Autorität der<br />
Exekutive anerkennt. Natürlich ist die Schwere des Deliktes nicht aus<strong>zu</strong>blenden, dennoch<br />
wird die Kooperationsbereitschaft von Seiten der <strong>Jugend</strong>lichen die Art <strong>und</strong> Weise, wie die<br />
konkrete Interaktion abläuft, maßgeblich beeinflussen. Und dass nicht nur die Beamten <strong>und</strong><br />
Beamtinnen mit gewissen Erwartungen, welche <strong>zu</strong>m einen von außen kommen, <strong>zu</strong>m anderen<br />
den eigenen Erfahrungen entwachsen sind, sondern auch die <strong>Jugend</strong>lichen damit in die<br />
Begegnung eintreten, konnte bereits in der Darstellung der Interpretativen Soziologie<br />
ausführlich gezeigt werden. Die Bedeutung dieses Aspektes der Erwartungen, Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> „gelebten Praxis“ ist also enorm für den Umgang zwischen der <strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> der <strong>Polizei</strong>.<br />
Auch um die Definitionsmacht der Exekutive geht es unter anderem in Roland Girtlers<br />
„<strong>Polizei</strong>alltag“, dem er den wissenschaftstheoretischen Ansatz der Verstehenden Soziologie<br />
<strong>zu</strong>gr<strong>und</strong>e legte (vgl. Girtler, 1980, S. 10). Ihm ist es ebenfalls gelungen, als teilnehmender<br />
Beobachter im Zeitraum von November 1976 bis April 1977 auf mehreren Wiener, damals<br />
noch als Wachzimmer benannten, <strong>Polizei</strong>inspektionen den <strong>Polizei</strong>-Alltag mit<strong>zu</strong>erleben <strong>und</strong> <strong>zu</strong><br />
erforschen. Aus unzähligen Interaktionen heraus, in welchen auch er selbst oft als Polizist in<br />
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