Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Umfrage bei Kantonsregierungen, politischen Parteien <strong>und</strong> „zuständigen Organisationen“<br />
über folgende Themen: Wahlrechtsreform, Erhöhung des Unterschriftenquorums<br />
bei Referendum <strong>und</strong> Initiative, Wählbarkeitsvoraussetzungen für<br />
B<strong>und</strong>esräte. 44 Sämtliche Themen waren Gegenstand der Wahlen-Befragung, die<br />
somit in substantiellem Bereich eine Duplizierung erfuhr. Es trifft keineswegs zu,<br />
dass die Buser-Befragung etwa unter neuen Gesichtspunkten oder auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
neuer Tatsachen erfolgte; auch der Adressatenkreis blieb, von den Universitäten<br />
abgesehen, derselbe. Obwohl die Wahlen-Kommission Totalrevision nur als die<br />
Summe von disparaten Partikularreformen konzipierte, schien die Regierung ihre<br />
Arbeit auch dann nicht verwerten zu wollen, wenn ernsthaft einschlägige Partikularreformen<br />
zur Diskussion standen.<br />
Im Wahlen-Katalog befand sich eine Frage über die Wirtschaftsartikel in der B<strong>und</strong>esverfassung.<br />
Zahlreiche Vernehmlassungen gingen in diesem Zusammenhang<br />
auf das Problem der Konjunktursteuerung ein. Auch in diesem Falle führte die B<strong>und</strong>esverwaltung<br />
ein zusätzliches paralleles Vernehmlassungsverfahren durch, da<br />
allen Ernstes die Einfügung eines sogenannten Konjunkturartikels in der B<strong>und</strong>esverfassung<br />
angestrebt wird. 45 Ausführlich erörterte die Kommission Fragen des<br />
Föderalismus; im Frühling 1973 wurde jedoch eine neue Studiengruppe eingesetzt,<br />
die sich mit der Kompetenzverteilung zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen befasst <strong>und</strong><br />
einschlägige Umfragen durchführte.<br />
Die Wahlen-Kommission hat nie gegen diese Umfrage-Duplizierungen protestiert,<br />
die eine eigentliche „Ausplünderung“ des Totalrevisionsstoffes darstellen <strong>und</strong> nicht<br />
nur die Arbeit der Kommission selbst, sondern auch jene von über tausend Mitwirkenden<br />
desavouieren. Offenbar war es der Kommission sogar angenehm, dass<br />
durch die Parallel-Unternehmen zusätzliche Totalrevisionsthemen präjudiziert wurden<br />
<strong>und</strong> deshalb aus der Diskussion scheiden konnten. Die Wahlen-Kommission<br />
neigte dazu, das Totalrevisionsunternehmen lediglich als die Registrierung von<br />
ohnehin durchgeführten externen Reformen aufzufassen (<strong>und</strong> damit die Idee einer<br />
Totalrevision überhaupt zu negieren). Die B<strong>und</strong>esverwaltung anderseits glaubte,<br />
das von der Wahlen-Kommission beschaffte Material nicht einmal für jene disparaten<br />
Teilreformen gebrauchen zu können, auf welche die Wahlen-Umfrage ausgerichtet<br />
war. Diese Aussagen gelten besonders für den Bereich des „Regierungssystems“.<br />
Eine solche Sachlage wirft die Frage nach dem Sinn der ganzen Übung auf.<br />
d) Argumentationsmuster<br />
Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die Art <strong>und</strong> Weise wie die Wahlen-<br />
Kommission ihre Stellungnahmen begründete, umfassend zu analysieren <strong>und</strong> zu<br />
kommentieren. Immerhin kann, wenigstens impressionistisch, auf gewisse Gr<strong>und</strong>muster<br />
des Argumentierens im Schlussbericht der Kommission hingewiesen werden.<br />
Die folgenden Bemerkungen beziehen sich nur auf jene Referate im Schlussbericht,<br />
die sich mit dem Bereich befassen, den wir als „Regierungssystem“ bezeichnet<br />
haben.<br />
Allgemein sei festgehalten, dass die Argumentationsweise der Kommissionsmitglieder<br />
jene ist von Leuten, die sehr umfassende Kenntnisse des politischen<br />
44 NZZ, Nr. 202, 2. 5. 72, S. 21.<br />
45 NZZ, Nr. 189, 24. 4. 72, S. 25.