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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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e) Eine elitäre Diskussion<br />

Am Anfang des Revisionsunternehmens standen diffuse Gefühle <strong>und</strong> Vorstellungen<br />

über ein schwer fassbares Phänomen, das Max Imboden „Helvetisches Malaise“<br />

genannt hatte. Naheliegend wäre es gewesen, verschiedene Dimensionen dieses<br />

Phänomens durch eine repräsentative Meinungsumfrage ausloten zu lassen <strong>und</strong><br />

dadurch die Frage aufzuhellen, ob überhaupt <strong>und</strong> eventuell auf welche Weise das<br />

„Malaise“ mit bestehenden Verfassungseinrichtungen zusammenhängt. Die Technik<br />

der Meinungsforschung ist seit den frühen fünfziger Jahren in allen führenden westlichen<br />

Industrienationen zu einem Standardinstrument der Politik geworden. 36<br />

Selbst in der Schweiz wird die Meinungsumfrage in jüngster Zeit der Politik dienstbar<br />

gemacht; das Eidg. <strong>Politische</strong> Departement figuriert unter den Auftraggebern,<br />

welche eine Umfrage über die Einstellung der Schweizer zur Entwicklungshilfe<br />

veranlassten. 37 – Nach ihren Tätigkeitsberichten zu schliessen, zog die Wahlen-<br />

Kommission ein solches Vorgehen nicht einmal in Erwägung. Sie begnügte sich,<br />

einen „offiziellen“ <strong>und</strong> einen „halboffiziellen“ Kreis von Adressaten ihres Fragenkatalogs<br />

zu definieren <strong>und</strong> verzichtete im übrigen auf Verfahrensrichtlinien. Das Antwortenmaterial<br />

wurde auf diese Weise hinsichtlich Qualität <strong>und</strong> Repräsentativität sehr<br />

heterogen <strong>und</strong> damit politisch kaum interpretierbar; darauf ist später noch einzugehen.<br />

Der Verzicht auf Verfahrensrichtlinien hatte noch einen andern Effekt: Vor<br />

allem Bevölkerungskreise, die dem politischen Status quo befürwortend <strong>und</strong> relativ<br />

unkritisch gegenüberstehen, konnten in der Vernehmlassung ihre Meinung artikulieren;<br />

denn viele der antwortenden Instanzen überliessen im Bestreben, die staatsbürgerliche<br />

Pflichtübung mit möglichst geringem Aufwand zu absolvieren, die Fragenbeantwortung<br />

den Routiniers der Tagespolitik, d. h. solchen Personen, die sich<br />

professionell mit Politik befassen oder der Tagespolitik von Berufes wegen nahestehen.<br />

Bei den politischen Routiniers ist die Tendenz zu vermuten, dass sie sich<br />

mit den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit, den gr<strong>und</strong>legenden Verfassungseinrichtungen,<br />

längst abgef<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong> sie nicht mehr in Frage stellen wollen.<br />

Trifft man nicht sorgfältige Vorkehrungen, dass die Debatte über die Totalrevision<br />

der B<strong>und</strong>esverfassung nicht schon in ihrer Anfangsphase unter die Kontrolle der<br />

Routiniers gelangt, so muss das Unternehmen in den unwiderstehlichen Schwerebereich<br />

des Status quo abgleiten.<br />

Die oben formulierten Aussagen gelten besonders für die Kantonsvernehmlassungen.<br />

Jean-Daniel Delley stellte fest, dass 43 Prozent der Mitglieder der Kantonskommissionen<br />

aktuelle oder ehemalige Inhaber „politischer Mandate“ waren<br />

(Gemeinde-, Kantons-, Regierungs-, National-, Stände- oder B<strong>und</strong>esräte). 38 Die<br />

haupt- oder nebenberuflichen Politiker stellten somit einen beträchtlichen Anteil des<br />

Kommissionspersonals. Der gleiche Autor hebt den aus-<br />

36 Gerhard Schmidtchen, Die befragte Nation. Über den Einfluss der Meinungsforschung auf die Politik,<br />

Fischer Bücherei, Frankfurt 1965. Das Buch enthält vor allem Angaben über die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland.<br />

37 Gerhard Schmidtchen, Schweizer <strong>und</strong> Entwicklungshilfe – Innenansichten der Aussenpolitik, 2 Bde.,<br />

Bern 1971.<br />

38 Die Angabe bezieht sich auf 22 Kantonskommissionen (bei BS fehlten die nötigen Angaben): Delley,<br />

op. cit, S. 7. Siehe auch: Korff et al., op. cit., S. 26.

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