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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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161<br />

1874. 5a Das Urteil über die retardierende Wirkung des Gesetzesreferendums gründete<br />

ursprünglich auf der Beobachtung, dass die konservativ-föderalistische Rechte<br />

im ausgehenden 19. Jahrh<strong>und</strong>ert diese Institution mit grosser Effizienz als Oppositionsinstrument<br />

zu verwenden wusste. Sie brachte mehrere Gesetzesvorlagen der<br />

Regierungsmehrheit in die Volksabstimmung, welche häufig negative Resultate<br />

zeitigte. – Unterdessen hat das fakultative Referendum seine demokratische Funktion<br />

eingebüsst <strong>und</strong> führt, bezogen auf die Gesamtzahl der verabschiedeten Gesetze,<br />

nur noch selten <strong>und</strong> in marginalen Angelegenheiten zu Volksabstimmungen.<br />

Seine konservative Funktion hat es indessen bewahrt. Dies lässt sich durch folgende<br />

Theorie veranschaulichen. Im Bargaining-Prozess der Interessengruppen gewährt<br />

die Referendumsinstitution unterschiedliche „Drohpotentiale“; Referendumsdrohungen<br />

sind gr<strong>und</strong>sätzlich nicht gleichwertig, sie haben je nach den Ressourcen<br />

des Drohenden <strong>und</strong> dessen Zielsetzung unterschiedliche Glaubwürdigkeit. – Vorerst<br />

hängt die Glaubwürdigkeit der Drohung von den organisatorischen <strong>und</strong> finanziellen<br />

Mitteln des Drohenden ab. Nur wer glaubhaft macht, dass er imstande ist,<br />

die erforderlichen 30 000 Unterschriften innert Frist zu sammeln <strong>und</strong> im Wahlkampf<br />

für seinen Standpunkt eine genügende Propaganda zu bezahlen, ist „referendumsfähig“<br />

<strong>und</strong> kann mit der Volksabstimmung glaubwürdig drohen. (Vorparlamentarische<br />

BargainingProzesse haben ohnehin die Tendenz, nur „referendumsfähige“<br />

Gruppen einzubeziehen.) – „Referendumsfähigkeit“ ist selbstverständlich stets in<br />

unterschiedlichem Ausmass vorhanden; je organisationsstärker <strong>und</strong> finanzkräftiger<br />

ein Verband ist, desto glaubwürdiger seine Referendumsdrohung. Dieses plutokratische<br />

Kriterium dürfte sich, so vermuten wir, zugunsten des Status quo auswirken;<br />

denn Saturierte suchen nicht die Veränderung. – Nicht nur die Höhe der Ressourcen<br />

des Drohenden beeinflussen die Glaubwürdigkeit seiner Drohung, sondern<br />

auch die Distanz, die zwischen seiner Zielsetzung <strong>und</strong> dem Status quo liegt. Ist<br />

diese Distanz Null, bevorzugt also ein Verhandlungspartner möglichst die Beibehaltung<br />

des Status quo, so birgt eine Volksabstimmung nur ein geringes Risiko für ihn;<br />

er kann (von den Kosten des Abstimmungskampfes abgesehen) praktisch nur gewinnen.<br />

Wird die Vorlage vom Volk verworfen, so ist sein Ziel optimal erfüllt; denn<br />

der Status quo bleibt erhalten. Wird sie dagegen angenommen, so wird der Kompromiss<br />

verwirklicht, den der Gegenspieler angeboten hatte, die Niederlage ist also<br />

nicht total. Wenn das Volk gegen den Status-quo-Spieler entscheidet, so erhält<br />

dieser immer noch, was er auch ohne Abstimmung erhalten hätte. – Beim <strong>Innovation</strong>s-Spieler<br />

dagegen, dessen Zielsetzung erheblich entfernt ist vom Status quo,<br />

liegt das Risiko bedeutend ungünstiger; er kann praktisch nur verlieren. Nimmt das<br />

Volk die Vorlage an, so wird nur der Kompromissvorschlag des Gegenspielers<br />

verwirklicht; das <strong>Innovation</strong>sziel ist also nicht optimal erfüllt. Bei negativem Volksentscheid<br />

ist die Niederlage des <strong>Innovation</strong>s-Spielers total, - es geschieht vorerst<br />

überhaupt nichts in der Sache, der „Scherbenhaufen“ zwingt dazu, mit dem <strong>Innovation</strong>sprozess<br />

wieder von vorn zu beginnen. – Weil der Status-quo-Spieler ein bedeutend<br />

geringeres Risiko bei einer Volksabstimmung eingeht als sein Gegenspieler,<br />

ist seine Referendumsdrohung glaubwürdiger <strong>und</strong> effizienter. Dieses Ungleichgewicht<br />

spiegelt sich im politischen Jargon wieder. Eine Vorlage kann nur<br />

5a Neidhart. Plebiszit (op. cit.), S. 10 Note 5

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