Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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weise scheint einen irreversiblen Charakter zu haben; nach Auffassung der Wahlen-Kommission<br />
kann auch eine Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung diese Errungenschaft<br />
nicht mehr in Frage stellen. 21 Anderseits wirft Hans Huber namens der<br />
Kommission die Frage auf, ob der im Jahre 1969 in die B<strong>und</strong>esverfassung eingeführte<br />
Artikel 22ter, der das Eigentum gewährleistet <strong>und</strong> Enteignung nur gegen<br />
„volle Entschädigung“ zulässt, „vielleicht bei späterer Gelegenheit doch nochmals<br />
überprüft werden“ müsse. 22 Die Kommission hielt also die Reform von 1969 betreffend<br />
Eigentumsgarantie nicht für unbedingt endgültig.<br />
Die <strong>Innovation</strong>skraft eines Totalrevisionsunternehmens hängt weitgehend davon<br />
ab, in welchem Umfang es vorangehende oder parallellaufende Teilreformen als<br />
irreversibel betrachten muss. Es lässt sich ein Extremfall völliger Geb<strong>und</strong>enheit<br />
vorstellen, wenn in sämtlichen Totalrevisions-Bereichen unmittelbar vor oder während<br />
der Totalrevision, aber ausserhalb derselben, einschlägige Teilreformen<br />
durchgeführt werden, denen man präjudizierenden Charakter zumisst. Der Bewegungsspielraum<br />
von Totalrevisoren schrumpft auf diese Weise gänzlich zusammen;<br />
denn überall sind ihnen externe Teilreformer zuvorgekommen, die erklären,<br />
dass das Nötige bereits getan sei. Eine solche „Ausplünderung“ des Totalrevisionsstoffes<br />
durch präjudizierende externe Teilreformen ist dann besonders wahrscheinlich,<br />
wenn die Totalrevision ohne übergeordnete Konzepte arbeitet <strong>und</strong> sich<br />
als blosse staatsrechtliche Detailpflege, als Aufaddierung von Teilrevisionen versteht.<br />
Um sinnvoll vorgehen zu können, benötigt ein Totalrevisionsunternehmen explizite<br />
Kriterien darüber, welche einschlägigen Teilreformen, die ausserhalb des Totalrevisions-Rahmens<br />
durchgeführt werden, präjudizierenden Charakter haben sollen <strong>und</strong><br />
welche nicht. Solche Kriterien zu liefern, wäre Aufgabe der obersten politischen<br />
Instanzen, des Parlaments <strong>und</strong> der Regierung. Wie bereits ausgeführt, verzichteten<br />
diese Gremien aber darauf, der Wahlen-Kommission irgendwelche materiellen<br />
Richtlinien zu erteilen. Ersatzweise hätte die Wahlen-Kommission – schon für das<br />
Vernehmlassungsverfahren – ausdrückliche Präsumtionen über den präjudizierenden<br />
bzw. nicht-präjudizierenden Charakter einschlägiger Teilreformen aufstellen<br />
können.<br />
Das Verhältnis zwischen dem Totalrevisionsunternehmen <strong>und</strong> externen einschlägigen<br />
Revisionsbestrebungen wurde von vornherein einseitig betrachtet. Man<br />
hielt lediglich fest, dass die Totalrevision Teilrevisionsbestrebungen nicht behindern<br />
dürfe. In seiner Antwort zur Motion Obrecht führte B<strong>und</strong>esrat von Moos aus:<br />
„Der B<strong>und</strong>esrat ist der Auffassung, dass, ungeachtet der Bestrebungen nach einer<br />
Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung, die Lösung der sich heute <strong>und</strong> in naher<br />
Zukunft stellenden Fragen nicht im Hinblick auf eine künftige gesamthafte Neuordnung<br />
vertagt werden darf. Für die Ordnung des Bodenrechts, die Beseitigung<br />
der Ausnahmeartikel, die Verwirklichung des Frauenstimmrechts ist der Weg von<br />
Teilrevisionen zu beschreiten.“ 23<br />
21 SB S. 227.<br />
22 SBS. 162.<br />
23 Obrecht et al., op. cit, S. 36.