Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Schweiz. Baumeisterverband <strong>und</strong> die Vereinigung des schweizerischen Import-<strong>und</strong><br />
Grosshandels würden eine Totalrevision „entschieden“ ablehnen, während die<br />
Mehrzahl der Handelskammern (z. B. Zürich, Aargau, Bern, Thurgau) sowie die<br />
Uhrenkammer <strong>und</strong> die Chemische Industrie „skeptisch <strong>und</strong> zurückhaltend“ seien.<br />
Letztere lehnten eine Änderung der Gr<strong>und</strong>züge der geltenden Verfassung ab <strong>und</strong><br />
könnten lediglich einer Revision im formalen Sinne zur Durchsicht, Bereinigung <strong>und</strong><br />
Systematisierung des Verfassungsrechtes zustimmen. – Nach Auffassung des<br />
Verbands lässt sich keine Verfassung vorstellen, die eine „bessere menschliche<br />
Ordnung“ als die bestehende bewirken könnte. Die wenigen geringfügigen Mängel<br />
könnten durch Partialrevisionen behoben werden. Unter Zitierung von Kurt Eichenberger<br />
spricht der Vorort von einem „unter geschickter Ausnutzung augenblicklicher<br />
Stimmungen <strong>und</strong> scheinbar bedrängender politischer Konstellationen . . . recht<br />
eigentlich erzwungenen Gespräch um die Totalrevision“ <strong>und</strong> nennt das Revisionsunternehmen<br />
ein „politisches Abenteuer“. Verschiedentlich bringt der Verband zum<br />
Ausdruck, dass er das Unternehmen als Bedrohung empfindet:<br />
„In zutreffender Weise hält Professor Hugo Sieber fest, dass bei einer Totalrevision<br />
das ordnungspolitische Leitbild der Planwirtschaft von einer politisch<br />
viel stärkeren Gruppe vertreten wird als dasjenige altliberaler Obser-vanz. ,Die<br />
Reform könnte angesichts der Anfälligkeit unserer Epoche für kollektivistische,<br />
planwirtschaftliche <strong>und</strong> planifikatorische Gedankengänge ebenso leicht zu einer<br />
Entfernung von diesem Leitbild führen. Die liberalen Befürworter der Totalrevision<br />
gehen also in dieser Beziehung ordnungspolitisch ein nicht unbeträchtliches<br />
Wagnis ein’.“ 16<br />
Oder an anderer Stelle:<br />
„Zweifellos birgt eine Änderung des bestehenden Verfassungstextes auf wichtigen<br />
Gebieten, wie zum Beispiel bei den Freiheitsrechten, auf dem Gebiete der<br />
Sozialrechte <strong>und</strong> bei den Wirtschaftsartikeln ausserordentliche Gefahren in sich,<br />
so dass nach Ansicht der Grosszahl unserer Sektionen die Wirtschaft es vermeiden<br />
muss, Diskussionen heraufzubeschwören, die für sie nur zu neuen Belastungen<br />
<strong>und</strong> Erschwerungen führen dürften.“ 17<br />
Im Bereich des „Regierungssystems“ erweist sich die Haltung des Vororts als „highly<br />
resistant to disturbance“. Für den Verband diskutabel erscheinen lediglich gewisse<br />
Modifikationen des Staatsvertragsreferendums sowie eine Beschränkung des<br />
B<strong>und</strong>es auf bloss indirekte Steuern. Geradezu elegische Töne findet der Verband,<br />
um das Hohelied des Föderalismus zu singen <strong>und</strong> seiner „Sorge um den kleinen<br />
Kreis“ Ausdruck zu geben:<br />
„Überschaubar ist noch der Kanton, das kantonale Staatswesen. Hier, wo sich<br />
eigenes Urteil auf Gr<strong>und</strong> eigener Erfahrung, Betrachtung, innerhalb der Erlebniswelt<br />
bildet, vermag eine Massenmeinung, vermögen Massenmedien wenig<br />
zu wirken. Die Vermassung ist das letzte, was wir wünschen können, <strong>und</strong> das<br />
erste, was wir politisch fürchten müssen, <strong>und</strong> zwar hinsichtlich der Wirtschafts<strong>und</strong><br />
der Finanzgesinnung, hinsichtlich dessen, was wir im Begriff der staatsbürgerlichen<br />
Gesinnung zusammenfassen.“ 18<br />
16 V–VHI 25.<br />
17 V–VHI 78.<br />
18 V–VHI 38. Der Text stellt ein Zitat aus dem Referat von H. Hemmeier vor der Aargauischen Handelskammer<br />
vom 12. September 1968 dar.