11.01.2015 Aufrufe

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

35<br />

Wieso wird dieses Detail einbezogen <strong>und</strong> jenes ausgeschlossen – Einer der wenigen<br />

Autoren, die explizit zum Abgrenzungsproblem Stellung nahmen, ist Leonhard<br />

Neidhart in seinem Buch Reform des B<strong>und</strong>esstaates. Ausgehend von einer ad hoc<br />

geschaffenen materiellen Definition von „Totalrevision“ gelangt er zur Feststellung,<br />

„dass nur die Behörden- oder die Entscheidungsorganisation des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> nicht<br />

der Kompetenzteil der B<strong>und</strong>esverfassung (gemeint ist die Kompetenzabgrenzung<br />

zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen) Gegenstand einer sogenannten Totalrevision sein<br />

kann.“ 3 (Leider hält sich Neidhart selbst nicht vollumfänglich an dieses Rezept,<br />

indem er beispielsweise postuliert: „Die B<strong>und</strong>esverfassung unterbindet alle obligatorischen<br />

Gesetzes- <strong>und</strong> Finanzreferenden in Kantonen <strong>und</strong> Gemeinden.“ 4 – Die<br />

Organisationshoheit ist der letzte halbwegs intakte Bereich kantonaler Autonomie;<br />

ausgerechnet hier verlangt Neidhart eine einschneidende B<strong>und</strong>esintervention.) –<br />

Neidharts Vorschlag, so problematisch er in seiner Begründung sein mag, stellt<br />

immerhin ein Konzept vor, mit dem man eine Verfassungsdebatte auf jene Dimension<br />

reduzieren kann, die den zuständigen Instanzen die Themabewältigung noch<br />

erlaubt.<br />

Die Wahlen-Kommission hat darauf verzichtet, verschiedene Abgrenzungsmaximen<br />

im Vernehmlassungsverfahren ausdrücklich zur Diskussion zu stellen. Dafür hat sie<br />

ein Abgrenzungskriterium gewählt, das auf den ersten Blick als selbstverständlich,<br />

ja geradezu als „natürlich“ erscheint: Die geltende B<strong>und</strong>esverfassung. Der Fragenkatalog<br />

berührt im grossen <strong>und</strong> ganzen jene Themen, die Gegenstand expliziter<br />

oder impliziter Reglementierung in der geltenden Verfassung sind: Menschenrechte,<br />

politische Rechte, Bürgerrechte, Landesverteidigung, Wirtschaftsverfassung,<br />

B<strong>und</strong>esfinanzen, Abgrenzung der Kompetenzen zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen,<br />

Organisation <strong>und</strong> Kompetenzen von Legislative, Exekutive <strong>und</strong> Justiz, Aussenbeziehungen,<br />

Revisionsregeln. Nur in vereinzelten Fällen (z. B. Aussenbeziehungen)<br />

geht der Fragenkatalog über das hinaus, was gemäss Wortlaut oder staatsrechtlicher<br />

Lehre Normierungsbereich der geltenden Verfassung ist. Anderseits ist der<br />

Fragenkatalog in dem Sinne „vollständig“, als er alle wesentlichen Normierungsbereiche<br />

der geltenden Verfassung bestreicht.<br />

Mit dem Entscheid, die geltende Verfassung zum Abgrenzungskriterium zu erheben,<br />

kombinierte die Wahlen-Kommission die innovationshemmende Methode<br />

der Diskussionsüberlastung mit jener der Ausklammerung kritischer Themen.<br />

Die Überlastung der Diskussion<br />

Kritiker beanstanden, dass die geltende Verfassung teilweise übermässig detailliert<br />

sei <strong>und</strong> Normen enthalte, die eher auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe gehörten.<br />

Die Staatsrechtler sprechen von „bloss formellem Verfassungsrecht“, das in das<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz hineingeraten sei. Von den verschiedenen Mechanismen, die zur<br />

Aufblähung des Verfassungstextes führten, seien die wichtigsten erwähnt: die<br />

Kompetenzvermutung zugunsten der Kantone, die für jede neue B<strong>und</strong>eskompetenz<br />

eine Verfassungsrevision verlangt; die Leichtigkeit, mit der Partialrevisionen durchgeführt<br />

werden können; die Institution der Verfassungs-<br />

3 Neidhart, op. cit, S. 10.<br />

4 Neidhart, op. cit., S. 127.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!