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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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In ähnlicher Weise äusserte sich der Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es,<br />

Waldemar Jucker. Auch für ihn ist die Schwäche der Parteien Anlass<br />

zu Besorgnis; die Wirtschaftsverbände würden oft in Rollen <strong>und</strong> Sachgebiete<br />

hinein gezwungen, die ihnen weder lägen noch besonders vertraut seien. Jucker<br />

fordert die Modernisierung der Parteien. 3<br />

Man braucht in den Stellungnahmen der beiden Verbandspolitiker keineswegs nur<br />

blosse Rhetorik zu sehen. Nach John Kenneth Galbraith müssen die Grossunternehmen<br />

des neuen Industriesystems Planung betreiben, <strong>und</strong> um selbst besser<br />

planen zu können, bedürfen sie eines starken planungsfähigen Staates mit bedeutendem<br />

öffentlichem Wirtschaftssektor. Wichtige Hilfsfunktion, die der Staat der<br />

Wirtschaft zu leisten habe, sei die Regulierung der Gesamtnachfrage. 4 – Interessant<br />

ist in diesem Zusammenhang das „Plädoyer für eine aktive Konjunkturpolitik“,<br />

das Etienne Junod, Präsident des Vororts <strong>und</strong> Generaldirektor der Hoff mann-La<br />

Roche, im März 1972 hielt. Dieser Sprecher sah „in einer starken liberalen <strong>und</strong><br />

Staatseingriffen abholden Tradition“ den Hauptgr<strong>und</strong> für das Versagen schweizerischer<br />

Inflationsbekämpfung. 5<br />

Das bipolare Modell will die staatlichen Steuerungskapazitäten erhöhen <strong>und</strong>’ durch<br />

Demokratisierung der Regierungsbestellung die Legitimität des Systems verbessern.<br />

Die Parteien sucht es durch einen Konzentrations- <strong>und</strong> Fusionsprozess zu<br />

stärken; solche Vorgänge sind im „privaten Sektor“ an der Tagesordnung. Es ist<br />

durchaus denkbar, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft für das Zielsystem des<br />

bipolaren Modells ein gewisses Verständnis aufbringen können <strong>und</strong> dass das<br />

schroffe Nein des Vororts zur Staatsreform vom Jahre 1967 einer mehr tolerierenden<br />

Haltung Platz macht; denn die vom letzten Jahrh<strong>und</strong>ert geprägten politischen<br />

Institutionen der Schweiz entsprechen nicht mehr notwendigerweise den gewandelten<br />

Interessen der Grossindustrie. – Allerdings werden von den führenden Verbänden<br />

kaum eigenständige Impulse für die Staatsreform ausgehen. Dass sie auf die<br />

direktdemokratischen Institutionen leichthin verzichten würden, ist nicht wahrscheinlich,<br />

obschon diese Institutionen heute nur noch marginale Bedeutung für ihre<br />

Machtstellung besitzen. Schliesslich trifft die Galbraith’sche Theorie über das Verhältnis<br />

zwischen Staat <strong>und</strong> Wirtschaft im Kleinstaat Schweiz wohl kaum völlig zu.<br />

Für die exportorientierten schweizerischen Grossfirmen ist nicht die Schweiz das<br />

„Bezugs-Staatswesen“, sondern grössere Industriestaaten oder gar supranationale<br />

Organisationen nehmen diesen Rang ein. Diese Firmen können es sich durchaus<br />

leisten, in der Schweiz einen musealen Staat zu konservieren.<br />

b) Der Trend im Ausland<br />

Wer die Realisierungschancen von Reformprojekten in der Schweiz schätzen will,<br />

muss einschlägige Trends im Ausland in Rechnung setzen. Die Kleinstaatlichkeit,<br />

die geographische Lage <strong>und</strong> neuerdings der grenzüberschreitende Ein-<br />

3 Waldemar Jucker, „Zaghafte Modernisierung der Parteien“, Volksrecht, 8.2.1967. Siehe auch: „Müssen<br />

die Verbände regieren“ ,Volksstimme’ 18.2.1967.<br />

4 Galbraith, op. cit., S. 232, 269, 304–324.<br />

5 NZZ, Nr. 130, 17.3.1972, S. 13.

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