Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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1968: 69 %; 1972: 66 %). 9a Wegen der andauernden Isolierung der Kommunisten<br />
gibt es in Italien indessen keine Alternierungschance, was Giorgio Galli veranlasste,<br />
von „bipartitismo imperfetto“ zu sprechen. 10 – Es ist nicht gänzlich abwegig, die<br />
Überalterung des politischen Personals, die weitverbreitete Korruption <strong>und</strong> den<br />
endemischen politischen Terrorismus, die dem italienischen System schwer zu<br />
schaffen machen, in Zusammenhang mit der fehlenden Alternierungschance zu<br />
bringen.<br />
Auch in europäischen Kleindemokratien ist Bipolarisierung im Sinne unseres Modells<br />
nicht ein unbekanntes Phänomen. Der Zweiparteienstaat Österreich, vorübergehend<br />
als Prototyp der Konkordanzdemokratie gefeiert, kam 1966 von der Grossen<br />
Koalition ab; sie wurde seither nicht wieder hergestellt. – In Schweden hat die<br />
Kohäsion der drei Parteien, die den bürgerlichen Block bilden, in neuester Zeit stark<br />
zugenommen. Nach 41jähriger, fast ununterbrochener Herrschaft der Sozialdemokraten<br />
gelang dem Bürgerblock 1973 beinahe ein Wahlsieg; die Wahlen führten zu<br />
einer parlamentarischen Pattsituation mit einem Sitzverhältnis von 175 zu 175.<br />
Nach Hancock entwickelt sich Schweden seit 1957 zu einem „funktionalen Zweiparteiensystem“.<br />
10a – Die skandinavischen Länder wiesen bisher Systeme mit<br />
;,unausgewogener Bipolarität“ auf, bei denen eine starke sozialdemokratische Partei<br />
die Regierung stellte <strong>und</strong> einer zersplitterten Opposition gegenüberstand. Die „A,<br />
nützungserscheinungen“, welche die sozialdemokratischen Regierungsparteien in<br />
den letzten Jahren trafen, erhöhte in Norwegen <strong>und</strong> Dänemark die Parteienzersplitterung<br />
in alarmierender Weise. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Phänomen<br />
eine Wahlrechtsdiskussion heraufbeschwöre wird, in der ähnliche Argumente<br />
dominieren wie in unserer Erörterung des bipolaren Modells.<br />
Das schwedische Oberhaus verhalf der sozialdemokratischen Partei dazu, auch bei<br />
gelegentlich für sie prekären Sitzverhältnissen in der Volkskammer an der Macht zu<br />
bleiben. Die zweite Kammer geriet daher unter Beschuss der bürgerlichen Parteien.<br />
Schliesslich willigten die Sozialdemokraten in eine Verfassungsrevision ein, die auf<br />
den 1. Januar 1971 , das Oberhaus beseitigte, das 1866 geschaffen wurde <strong>und</strong><br />
somit ein ähnlich ehrwürdiges Alter wie der schweizerische Ständerat besass. Die<br />
Reform verbessert die Alternierungschancen. 11 – In Dänemark wurde das Oberhaus<br />
schon 1953 abgeschafft. Generell darf man wohl sagen, dass das Zeitalter<br />
des integralen Bikameralismus in Europa auf Nationalstaatenebene vorbei ist. 12<br />
*<br />
Der beschriebene Trend zur Bipolarisierung im europäischen Ausland kann sich<br />
selbstverständlich wieder abschwächen oder gänzlich verschwinden. Bleibt er<br />
9a Raphael Zariski, ltaly – The Politics of Uneven Development, Dryden Press, Hinsdale/III. 1972, S. 146.<br />
10 Giorgio Galli, ll bipartitismo imperfetto, Bologna 1966.<br />
10a Hancock, op. cit., S. 100–106, 143–145.<br />
11 Hancock, op. cit., S. 95, 171 ff.<br />
12 Siehe dazu die vorwiegend juristisch ausgerichtete Arbeit: Yves Weber, „La crise du bicaméralisme“,<br />
Revue du droit public et de la science politique en France et à l’étranger, Mai–Juni 1972, Nr. 3, S. 573–<br />
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