Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Kurt Eichenberger in seinem<br />
Referat über „Regierung <strong>und</strong> Verwaltung“ den Ausdruck „Regierungssystem“<br />
in einem sehr engen Sinne verwendet <strong>und</strong> sich dabei auf eine angebliche wissenschaftliche<br />
Tradition in der Schweiz beruft.<br />
„Anders als im angelsächsischen Rechtskreis <strong>und</strong> anders als im politologischen<br />
Sprachgebrauch, wo der Begriff des Regierungssystems’ häufig die Macht- <strong>und</strong><br />
Leitungsordnung im Staat schlechthin umschreibt, wird er in der Schweiz zunehmend<br />
in einem engeren Sinn gebraucht: Er soll lediglich die innere Ordnung<br />
der Exekutive einerseits <strong>und</strong> deren Beziehungen zu andern Organgruppen andererseits<br />
charakterisieren.“ 57<br />
Ob die erwähnte Sprachregelung sich tatsächlich auf eine schweizerische Tradition<br />
zu berufen vermag, muss dahingestellt bleiben, da Eichenberger auf nähere Angaben<br />
verzichtete. Der angeblich „schweizerische“ RegierungssystemBegriff erhöht<br />
jedenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass die Exekutive isoliert <strong>und</strong> von ihrem institutionellen<br />
Kontext losgelöst betrachtet wird. Er legt es nicht nahe, dass Interdependenzen<br />
zwischen gewissen Institutionen wie Referendum <strong>und</strong> Milizparlament einerseits<br />
<strong>und</strong> Regierungsverhalten anderseits einlässlich untersucht werden. Der Begriff<br />
erscheint vielmehr als Korrelat zur Politik der Wahlen-Kommission, nur disparate<br />
Partikularreformen in Erwägung zu ziehen.<br />
In ihrer Reformdiskussion operierte die Wahlen-Kommission wiederholt mit der –<br />
meist nicht expliziten – Annahme, dass apriorisch allgemeine materielle Regeln<br />
aufgestellt werden können, welche die Ausscheidung der „wichtigen“ oder „wesentlichen“<br />
Rechtsnormen <strong>und</strong> Staatsakte von den „nebensächlichen“ oder „sek<strong>und</strong>ären“<br />
gestatten. Diese Annahme erscheint im Zusammenhang mit dem Postulat, ein<br />
„eigentliches Gr<strong>und</strong>gesetz“ zu schaffen, das frei ist von „nebensächlichen“ Normen.<br />
Sie erscheint aber vor allem, wenn es darum geht, arbeitsmässig „überlasteten“<br />
Staatsorganen „sek<strong>und</strong>äre“ Aufgaben abzunehmen. Als einer solchen Entlastung<br />
bedürftig erachtete die Kommission den B<strong>und</strong>esrat, das Parlament <strong>und</strong> die Stimmbürgerschaft.<br />
Was den B<strong>und</strong>esrat betrifft, so führte diese Auffassung nach Massgabe<br />
des Hongler-Berichtes bereits zur Umwandlung der B<strong>und</strong>eskanzlei in ein<br />
„Stabsorgan“ der Regierung, wobei jedoch die Regierung ihren Stabschef, den<br />
B<strong>und</strong>eskanzler, nicht selbst ernennen kann. – Hinsichtlich der Volksrechte stellte<br />
Josy Meier fest, dass in den Vernehmlassungen der Ruf nach einer „sinnvollen<br />
Konzentration“ unüberhörbar sei <strong>und</strong> forderte die Beschränkung dieser Rechte „auf<br />
das Wesentliche“ 58 Wie eine solche „Verwesentlichung der Volksrechte“, gekoppelt<br />
mit einer „Verwesentlichung der Parlamentsrechte“, aussehen könnte, deutet Kurt<br />
Eichenberger mit seinem Konzept einer „Sek<strong>und</strong>ärlegislative“ an. 59 Nach seiner<br />
Auffassung kann die Rechtssetzungsaufgabe nur noch teilweise vom Parlament<br />
wahrgenommen werden, sofern die Staatsaufgaben weiterhin im bisherigen<br />
Rhythmus zunehmen. Damit der von Parlament nicht zu bewältigende Teil der<br />
Gesetzgebungsarbeit nicht von der Exekutive geleistet werden müsse, sei eine<br />
Sek<strong>und</strong>ärlegislative zu schaffen: Sie würde nicht das „wichtigste Recht“ schaffen,<br />
sondern solches, „welches entweder vorangehendes Gesetzesrecht<br />
57 SB S. 497.<br />
58 SB S. 220 f.<br />
59 SB S. 571 f. Siehe auch oben Seite 94, Note 6.