Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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elementaren Ebene sagen, dass der Berater dem politischen Entscheidungsträger<br />
solche Informationen liefern soll, welche dieser überhaupt aufnehmen, absorbieren,<br />
praktisch benützen kann. Gerade an diese Elementarregel scheint sich die Wahlen-<br />
Kommission nicht gehalten zu haben. Mit ihrem annähernd 3 200 Druckseiten umfassenden<br />
Publikationsausstoss hat sie jeden vorstellbaren Beratungsadressaten<br />
(Regierung, Parlament, Konstituante, Bürger) überfordert. Auf die Ursachen dieser<br />
Textinflation ist im ersten Teil dieses Buches eingegangen worden. Sie hängen<br />
zusammen mit der Übernahme des derzeitigen Verfassungstextes als Themaabgrenzungskriterium,<br />
mit der „staatsrechtlichen Detailpflege“ <strong>und</strong> mit der Umfrage,<br />
deren Ergebnisse vollumfänglich publiziert, aber nicht ausgewertet wurden.<br />
Um elementare Voraussetzungen für die Kommunikation zwischen Beratern <strong>und</strong><br />
Politikern zu schaffen, muss Klarheit darüber geschaffen werden, wovon überhaupt<br />
die Rede ist; der Diskussionsstoff muss so eingeengt werden, dass er von beiden<br />
Partnern bewältigt werden kann. Dies wiederum setzt Zielklärung voraus (siehe<br />
unten Ziffer 3).<br />
(2) Bemühung um Explizität<br />
Das pragmatische Modell reduziert den Berater nicht auf die blosse Vermittlung von<br />
gesichertem nomologischen Wissen <strong>und</strong> dessen technologische Anwendung für<br />
vorgegebene Ziele. Vielmehr soll der Experte „praktische <strong>und</strong> theoretische Axiome<br />
als Behauptungen einführen“ 19 Lücken des nomologischen Wissens durch begründete<br />
Vermutungen überbrücken <strong>und</strong> schliesslich seine eigenen Wertprämissen in<br />
interpretierter Form bekenntnismässig darlegen. 20 Selbst intuitives Wissen muss<br />
nicht unbedingt aus der Beratung herausgehalten werden. Unsere zweite Maxime<br />
verlangt jedoch, dass der Charakter der einzelnen Aussagen möglichst explizit<br />
herausgestellt wird, um eine kritische Diskussion des Gutachtens zu gestatten. Bei<br />
Aussagen über empirische Regelmässigkeiten ist anzugeben, in welchem Masse<br />
es sich um gesichertes Wissen handelt; bei Situationsbeschreibungen soll das<br />
analytische Konzept genannt werden; der Unterschied zwischen explikativen <strong>und</strong><br />
präskriptiven Aussagen 21 soll sichtbar bleiben usw. – Immerhin darf die Explizitätsmaxime<br />
nicht überdehnt werden; dies würde sich kommunikationshemmend auswirken.<br />
Völlige Explizität ist theoretisch ohnehin nicht möglich. „In aller Regel fängt<br />
das Einführen geklärter Begriffe dort an, wo Probleme auftauchen, so dass ein<br />
sachlich motiviertes Bedürfnis nach Klärung besteht <strong>und</strong> nicht der gleichgültige<br />
Zufall herrscht.“ 22<br />
(3) Zielklärung<br />
Die Politik kann dem Politikberater die anzustrebenden Ziele oft nicht genau umschreiben,<br />
oder die genannten Zielsetzungen sind in sich widersprüchlich oder<br />
kollidieren mit wichtigen andern Zielen. In einer solchen Situation muss sich der<br />
Berater auf eine Zielanalyse einlassen, um Klarheit über das Anzustrebende zu<br />
erreichen, mindestens aber einen Zielklärungsprozess einzuleiten. Zielklärung ist<br />
ein dialektischer Vorgang. In der Wechselbeziehung zwischen Politiker <strong>und</strong> Berater<br />
müssen Bedürfnisse in der Konfrontation mit verfügbaren<br />
19 Lompe, op. cit., S. 181.<br />
20 Lompe, op. cit., S. 142 ff,<br />
21 Lompe, op. cit., S. 19.<br />
22 Rüdiger Bubner, Dialektik <strong>und</strong> Wissenschaft, Frankfurt/M 1973, S. 105.