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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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jährlich zwischen zehn- <strong>und</strong> fünfzehntausend Volksabstimmungen auf den verschiedenen<br />

Ebenen durchgeführt. 26 In einzelnen Staaten wie Kalifornien, Louisiana<br />

oder Ohio erreichen die Volksbefragungen eine ähnliche Häufigkeit wie in der<br />

Schweiz.<br />

Die Probleme der „direkten Gesetzgebung“ sind in den USA von der Wissenschaft<br />

ausgiebiger <strong>und</strong> gründlicher untersucht worden als in der Schweiz. 27 Zu bemerken<br />

ist allerdings, dass das Interesse der Politologen an diesem Thema stark zurückgegangen<br />

ist. Bis 1921 publizierte die American Political Science Review jährlich im<br />

Durchschnitt fünf Beiträge über das Gebiet. Bis 1963 erschienen im ganzen dann<br />

nur noch sieben einschlägige Aufsätze. In der amerikanischen Politikwissenschaft<br />

sei die „direkte Demokratie“ verstorben, ohne dass man ihr ein würdiges Grabgeleite<br />

gegeben habe, kommentierte Howard D. Hamilton. 28<br />

Das geschw<strong>und</strong>ene Interesse an den direktdemokratischen Institutionen geht einher<br />

mit einer eher negativen Einschätzung, welche ihnen eine überwiegende Anzahl<br />

amerikanischer Politologen entgegenbringt. 29 „Direkte Gesetzgebung“ war in<br />

den USA von Anfang an hart umstritten. 30 Ihre Hochblüte erlebte sie in der Zeit von<br />

1910-1915, als direktdemokratische Institutionen in mehreren Staaten eingeführt<br />

wurden; nach dem Ersten Weltkrieg konnte sich indessen nur noch ein einziger<br />

Staat zur Einführung solcher Einrichtungen entschliessen. 31 – In neuester Zeit<br />

scheiterten zahlreiche Gesetzesprojekte, welche der Rassendiskriminierung auf<br />

dem Wohnungsmarkt entgegenwirken wollten, an plebiszitären Nachentscheidungen.<br />

Der bekannteste Fall ist die Rumford Act in Kalifornien, die 1964 durch<br />

Verfassungsinitiative aufgehoben, durch Richterspruch jedoch wieder hergestellt<br />

wurde. Die Open Housing Referenda regten empirische Untersuchungen an, in<br />

denen unter anderem auch simultane Meinungsumfragen durchgeführt wurden. Die<br />

Ergebnisse dieser Studien sind durchaus geeignet, die Skepsis gegenüber „direkter<br />

Gesetzgebung“ noch zu verstärken. Wolfinger <strong>und</strong> Greenstein gelangen in ihrer<br />

Arbeit über die Rumford Act zum Schluss, dass durch die direktdemokratischen<br />

Einrichtungen die Lösung von Rassenproblemen ausserordentlich erschwert würden.<br />

32 – Ganz ohne Relevanz für die Schweiz dürfte dieses Ergebnis nicht sein.<br />

Das anstehende Problem, eine Grosszahl ausländischer Arbeitskräfte in der<br />

Schweiz zu assimi-<br />

26 Davon sind ca. 2 % Volksbefragungen auf Staatenebene. Siehe: Howard D. Hamilton, „Direct Legislation:<br />

Sonne Impllcations of Open Housing Referenda“, APSR, Vol. 64, No, 1, März 1970, S. 125.<br />

27 Zur neueren Literatur über „direct legislation“ in den USA siehe: Hamilton, op. cit., S. 124 ff.<br />

28 Hamilton, op. cit., S. 124.<br />

29 Nach Hamilton (S. 125) wird die direkte Demokratie in den USA weitgehend für „anachronistisch“<br />

gehalten. Wolfinger <strong>und</strong> Greenstein führen aus: „ .. the anti-referendum viewpoint is the current conventional<br />

wisdom among political scientists.“ Sie erwähnen jedoch, dass die direkte Gesetzgebung in<br />

Kalifornien zwei akademische Verteidiger habe, Turner <strong>und</strong> Vieg. Siehe: Raymond E. Wolfinger/ Fred I.<br />

Greenstein, „The Repeal of Fair Housing in California: An Analysis of Referendum Voting“, APSR, Vol.<br />

62, No. 3, September 1968, S. 767.<br />

30 Ein früher Gegner direktdemokratischer Einrichtungen war: William Bennett Munro, The Initiative,<br />

Referendum, and Recall, Appleton, New York 1916, Einleitungskapitel. – Eine vorsichtig positive Einschätzung<br />

brachten in den frühen fünfziger Jahren: Joseph G. Lapalombara/Charles B. Hagan, „Direct<br />

Legislation: An Appraisal and a Suggestion“, APSR, Vol. 45, No. 2, Juni 1951, S. 400–421.<br />

31 Baker/Friedelbaum, op. cit., S. 469.<br />

32 Wolfinger/Greenstein, op. cit., S. 769. Siehe auch: John E. Mueller, „Voting on the Propositions: Ballot<br />

Patterns and Historical Trends in California“, APSR, Vol. 63, No.4, Dezember 1969, S. 1197–1212.

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