Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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nämlich an, dass ohne weiteres Kompatibilität zwischen dem Modell einerseits <strong>und</strong><br />
dem wirksamen Schutz von Gr<strong>und</strong>rechten, der Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit<br />
<strong>und</strong> der Erhaltung des erreichten Lebensstandards der Bevölkerung<br />
anderseits besteht. Der Verfasser kann sich schwerlich eine Argumentation vorstellen,<br />
die plausibel dartun würde, dass im bipolaren System mit grösserer Wahrscheinlichkeit<br />
als im bisherigen Regime Gr<strong>und</strong>rechte angetastet, Rechtsstaatlichkeit<br />
untergraben oder die Volkswohlfahrt gefährdet würden. Auf diese drei Bewertungskriterien<br />
soll im folgenden deshalb nicht mehr eingegangen werden.<br />
Obwohl die folgende Modellevaluation ziemlich summarisch ausfällt, wird damit<br />
doch ein Zweifaches erreicht: Sie soll die Werthaltung des Verfassers möglichst<br />
explizit machen <strong>und</strong> politischen Entscheidungsträgern Anhaltspunkte für die Urteilsbildung<br />
liefern.<br />
a) Die Meinung der andern<br />
Für die Urteilsbildung über das vorgeschlagene bipolare Modell mag es nützlich<br />
sein, auf die Einschätzung von Fachleuten hinzuweisen, die sich über Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile dualistischer Regierungssysteme geäussert haben. Auffallend ist, dass<br />
zahlreiche zeitgenössische Autoren, die zum Problem Stellung nehmen, das bipolare<br />
Modell positiv bewerten. Zwar darf man wohl nicht von einem consensus doctorum<br />
reden, aber eine „vorherrschende Meinung“ hinsichtlich der positiven Einschätzung<br />
des Modells liegt zweifellos vor.<br />
Grossbritannien dürfte die beste Annäherung an unser Modell darstellen, <strong>und</strong> es<br />
wird häufig als eine optimale Kombination von staatlicher Effizienz <strong>und</strong> Demokratie<br />
gepriesen. Angelsächsische Autoren pflegen England eine PrototypStellung einzuräumen.<br />
So bevorzugen beispielsweise zwei prominente Senioren zeitgenössischer<br />
Politikwissenschaft, Herman Finer 1 <strong>und</strong> C. J. Friedrich 2 deutlich die britische Variante<br />
eines Zweiparteiensystems gegenüber allen andern Parteiensystemen.<br />
Das amerikanische System mit seinen zwei locker <strong>und</strong> diffus strukturierten Parteien<br />
<strong>und</strong> der rigoros durchgeführten Gewaltenteilung wurde wiederholt am britischen<br />
System gemessen <strong>und</strong> von dort her kritisiert. Im Jahre 1950 veröffentlichte die<br />
Kommission für politische Parteien der American Political Science Association einen<br />
100 Seiten starken Bericht „Toward a More Responsible Two-Party System“, 3<br />
der in eindringlicher Weise eine „Anglisierung“ des amerikanischen Parteiensystems<br />
befürwortet. In jüngster Zeit hat allerdings E. M. Kirkpatrick, selbst Mitautor<br />
des Manifests, den Bericht scharf kritisiert. 4 – Für jene, die nach Verfassungsleitbildern<br />
Umschau halten, hat heute das amerikanische System wohl einiges an Glanz<br />
verloren. Die „WatergateAffäre“ der Jahre 1972 bis 1974 ist dazu angetan, nicht nur<br />
einzelne Amtsin-<br />
1 Finer, op. cit., beispielsweise S. 360 f.<br />
2 Friedrich, op. cit., beispielsweise S. 538.<br />
3 „Toward a More Responsible Two-Party System: A Report of the Committee on Political Parties,<br />
American Political Science Association“, APSR, Vol. 44, Nr. 3, Part 2 (Supplement), September 1950.<br />
4 Kirkpatrick, op. cit. (vgl. oben S. 137, Note 26).