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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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167<br />

Wenn das Instituionengefüge der USA „anachronistisch“ ist, so muss diese Qualifikation<br />

in erhöhtem Masse für das schweizerische zutreffen. Denn die Blockierungsmechanismen<br />

sind hier ins Masslose gehäuft. In den USA vermochte die<br />

Präsidentschaft seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende immerhin soviel Macht auf sich zu vereinigen,<br />

dass sie schliesslich als innovative Kraft in Erscheinung treten konnte.<br />

Auch der Supreme Court eignete sich in den letzten Jahrzehnten beträchtliche<br />

<strong>Innovation</strong>skapazitäten an. – Das schweizerische B<strong>und</strong>esgericht dagegen ist als<br />

Zentrum politischer <strong>Innovation</strong> kaum in Erscheinung getreten. Etwa das Frauenstimmrecht<br />

einzuführen, stand ausserhalb der Macht schweizerischer Richter. Der<br />

Referendumsdemokratie gelang dieser Schritt erst – im Jahre 1971.<br />

Der schweizerische Staat ist ein überbremstes System, ein System „with checks<br />

and no balances“. Stellt man den staatlichen Sektor dem privaten gegenüber, so<br />

wird das Fehlen von Gleichgewicht besonders augenfällig. Praktisch unbehindert<br />

von Hemmungsmechanismen kann sich im privaten Bereich durch Fusionen <strong>und</strong><br />

Kartellisierung ein Prozess von noch nie gesehener Machtkonzentration durchsetzen,<br />

während im staatlichen Bereich eine Häufung von wirksamen Blockierungsvorkehrungen<br />

Paralyse bewirken darf.<br />

b Ein informationstheoretisch-kybernetischer Ansatz<br />

Seinem Buch The Nerves of Government stellt Karl W. Deutsch eine Diskussion der<br />

wichtigsten Modelle voran, mit denen im Verlauf der Jahrh<strong>und</strong>erte Philosophie <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaften komplexe Gemeinwesen zu verstehen suchten. Unter den<br />

„klassischen Modellen“ nehmen dabei das mechanistische (oder Maschinen-) Modell<br />

<strong>und</strong> das Organismusmodell einen hervorragenden Platz ein. – Das kybernetische<br />

Modell, das Deutsch als besonders angemessen für die Analyse moderner<br />

komplexer Sozialsysteme vorstellt, vermochte in der Tat erhebliche Faszination<br />

auszuüben <strong>und</strong> wird gelegentlich als der zukunftsträchtigste Analyseansatz angepriesen.<br />

21 Die Bilder des Uhrwerks oder der sich entfaltenden <strong>und</strong> schliesslich absterbenden<br />

Pflanze vermögen in der Sozialwissenschaft heute weniger anzusprechen<br />

als das Bild der Rakete, die ihr Ziel selbsttätig ansteuert.<br />

Vom Gesichtspunkt der analytischen Wissenschaftstheorie aus gesehen ist der<br />

kybernetische Ansatz dem zuvor angewandten indessen keineswegs überlegen.<br />

Naschold spricht von „gewaltigen Validitäts- <strong>und</strong> Reliabilitätsproblemen einer kybernetischen<br />

Systemanalyse“. Den meisten Operationalisierungsversuchen von<br />

Deutsch wirft er „Scheingenauigkeit“ vor. 22 – In diesem Abschnitt soll nicht versucht<br />

werden, den kybernetischen Ansatz zu verfeinern, seine Tauglichkeit für exakte<br />

empirische Forschung zu verbessern oder auch nur eine generelle Beschreibung<br />

des politischen Systems der Schweiz in den Kategorien der Kybernetik zu wagen.<br />

Vielmehr sollen in eklektizistischer Weise einzelne Konzepte kybernetischer Analyse<br />

herangezogen werden, um ergänzend zu<br />

21 Siehe Naschold, op. cit., Kapitel „Gr<strong>und</strong>lagen einer kybernetischen Steuerungstheorie“, S. 13–29.<br />

22 Naschold, op.cit., S. 162 f.

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