Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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terhin abbröckelt. In diesem Falle könnten Ansprüche auf Beteiligung weiterer Parteien<br />
an der Regierung <strong>und</strong> auf Erhöhung der B<strong>und</strong>esratszahl kaum mehr abgewehrt<br />
werden. – Die These, dass die meist profilschwachen Kleinparteien notwendig<br />
seien, um die „Vielfalt der Schweiz“ darzustellen, dürfte bei den drei grossen<br />
Parteien kaum auf vorbehaltlose Zustimmung stossen.<br />
In ihrem Wahlprogramm von 1971 hat sich die CVP aufgeschlossen gezeigt für<br />
eines der Gr<strong>und</strong>anliegen des bipolaren Modells, nämlich dass die Bürger über die<br />
Parlamentswahlen vermehrt auf die Regierungsbildung Einfluss nehmen sollen.<br />
Verlautbarungen dieser Partei bek<strong>und</strong>en ein Interesse an einer gr<strong>und</strong>legenden<br />
Wahlrechtsreform; doch nicht die relative Merheitswahl; sondern ein Wahlsystem<br />
westdeutscher Art wäre das Äusserste, was diese Partei noch unterstützen könnte.<br />
Mindestens einzelnen Kreisen der CVP erschiene eine Neuordnung der direktdemokratischen<br />
Institutionen im Sinne des bipolaren Modells als diskutabel. – Trotz<br />
der relativen Reformfreudigkeit der CVP wäre es verfehlt, von dieser Partei Unterstützung<br />
für das bipolare Modell zu erwarten. Ein zentrales Element des Modells,<br />
die Ständerats-Reform, wird auf die kategorische Ablehnung der CVP stossen, <strong>und</strong><br />
dies nicht nur aus historischen <strong>und</strong> ideologischen Gründen, sondern vor allem wegen<br />
der starken Präsenz dieser Partei in der Ständekammer. – Mit dem Schwinden<br />
der spezifisch religiös-konfessionellen Ausrichtung verliert die CVP einen wichtigen<br />
parteiinternen Integrationsfaktor; sie entwickelt sich zu einer sehr heterogenen<br />
Partei, die ein breites Tendenzenspektrum von links nach rechts umfasst. Die Polarisierungsmechanismen<br />
der neuen Verfassung würden sie einer Zerreissprobe<br />
aussetzen. Daher ist zu erwarten, dass die CVP dem bipolaren Modell mit grosser<br />
Skepsis gegenüberstehen wird.<br />
Die Freisinnig-demokratische Partei reichte der Wahlen-Kommission eine Statusquo-Vernehmlassung<br />
ein <strong>und</strong> zeigte sich auch sonst zurückhaltend mit Vorschlägen<br />
zur Staatsreform. Offenbar geht sie davon aus, dass die ihr nahestehenden Interessen<br />
im gegenwärtigen System am besten aufgehoben sind. Zwar standen die<br />
Vorläufer der FdP bei der B<strong>und</strong>esstaatsgründung im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert dem Ständerat<br />
skeptisch gegenüber, <strong>und</strong> die Freisinnigen haben den Majorz bis 1919 gegen<br />
Sozialisten <strong>und</strong> Katholiken verteidigt. Trotzdem wird diese Partei das bipolare Modell<br />
schroff ablehnen. Ein signifikantes Anwachsen der SP dürfte ihr nicht genehm<br />
sein. Zudem wird sie befürchten, dass ihr die CVP beim Ringen um Einfluss im<br />
bürgerlichen Lager überlegen sain könnte; die FdP würde in diesem Falle – ähnlich<br />
wie die deutschen Freidemokraten oder die britischen Liberalen – zu einer Kleinpartei<br />
absinken. Ob eine solche Befürchtung angezeigt ist oder nicht, sei dahingestellt;<br />
jedenfalls vermochte die CVP – so scheint es – in jüngster Zeit eine grössere Dynamik<br />
zu entfalten als die FdP.<br />
Theoretisch gesehen müsste das bipolare Modell bei der Sozialdemokratischen<br />
Partei noch am ehesten auf eine gewisse Sympathie stossen. Die Zauberformel-<br />
Regierung <strong>und</strong> die etwas verworrene Kombination von „sektoriellem Opponieren“<br />
<strong>und</strong> „sektoriellem Mitregieren“ scheint im Innern der SP vermehrt zu Spannungen<br />
zu führen. Diese Partei stellt zudem fest, dass die bürgerlichen Parteien die sozialdemokratische<br />
Regierungsbeteiligung nur unter dem Vorbehalt zulassen, die sozialistischen<br />
Vertreter in der Regierung selbst bestimmen zu können (Wahl der B<strong>und</strong>esräte<br />
Tschudi 1959 <strong>und</strong> Ritschard 1973).- Das bi-