Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Dass innovationsfeindliche Akteure kaum <strong>Innovation</strong> hervorbringen, ist eine Binsenwahrheit.<br />
Über die Zusammensetzung der Expertenkommission für die Totalrevision<br />
äussert sich der Motionär Dürrenmatt:<br />
„ . . . werden in das Gremium vornehmlich Persönlichkeiten gewählt, die nur das<br />
Wenn <strong>und</strong> Aber sehen <strong>und</strong> der Idee der Totalrevision skeptisch oder gar ablehnend<br />
gegenüberstehen, so brauchen wir uns über das Ergebnis ihrer Anträge<br />
keine Illusionen zu machen. Die Delegation wird auf höchst legitime Weise den<br />
Nachweis erbringen können, die Einleitung der Totalrevision sei nicht opportun.<br />
Aber auch das Umgekehrte gilt.“ 1<br />
Das Verhältnis zwischen Rollenkumulation <strong>und</strong> Dominanz bestimmter Berufsgruppen<br />
einerseits <strong>und</strong> <strong>Innovation</strong> anderseits ist komplizierter. Man könnte argumentieren,<br />
dass <strong>Innovation</strong>schäncen verbessert werden, sofern die vorherrschende<br />
Denkschule <strong>und</strong> die mittels Rollenkumulationen dominierende Aktivistengruppe<br />
innovationsfreudig sind. Ein solcher Spezialfall lag indessen nicht vor; vielmehr<br />
zeichnete sich die bisherige Revisionsdebatte durch das Fehlen von „Leitideen“ <strong>und</strong><br />
die Abwesenheit von Organisationen aus, welche bestimmte Revisionsvorstellungen<br />
zu verwirklichen strebten. – Um innovationsträchtig zu werden, musste bei<br />
dieser Sachlage die Anfangsphase der Revisionsdebatte den Charakter eines<br />
Brainstorming annehmen; dies hätte aber möglichst grosse Pluralität, Interdisziplinarität<br />
<strong>und</strong> Unabhängigkeit der einzelnen Diskussionszirkel voneinander bedeutet.<br />
Jürg Steiner weist auf den Zusammenhang zwischen <strong>Innovation</strong>schancen <strong>und</strong> der<br />
Unabhängigkeit von Studiengruppen hin:<br />
„Der <strong>Innovation</strong>sspielraum ist auch deshalb relativ eng, weil die Tendenz besteht,<br />
dass nicht verschiedene Gruppen von <strong>Innovation</strong>sexperten unabhängig<br />
voneinander Alternativvorschläge ausarbeiten.“ 2<br />
Die Wahlen-Kommission hätte es in der Hand gehabt, durch geeignete Verfahrensrichtlinien<br />
die Voraussetzungen für ein schöpferisches Brainstorming zu<br />
optimieren. Sie liess es jedoch in einem Brief vom Juni 1968 an die Kantone, Parteien<br />
<strong>und</strong> Universitäten bei der Anregung bewenden, dass in den Eingaben auch<br />
Minderheitsstandpunkte erwähnt werden sollten, selbst wenn diese unkonventionell<br />
<strong>und</strong> unrealistisch seien. Zudem bezeichnete es die Kommission als wünschbar,<br />
wenn der „interessierten Jugend Gelegenheit zu aktiver Mitarbeit“ gewährt würde.<br />
a) Die Zusammensetzung der Wahlen-Kommission<br />
Es war nicht leicht, die Frage aufzuhellen, inwieweit die einzelnen Kommissionsmitglieder<br />
einer Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung gegenüber positiv oder<br />
negativ eingestellt waren, zumal sich das Interview mit den Mitgliedern nicht als<br />
geeignete Informationsquelle anbot. 3 Es musste auf Publikationen der Mitglieder<br />
sowie auf Indizien abgestellt werden.<br />
1 Obrecht et al., op. cit., S. 48.<br />
2 Steiner, op. cit, S. 301, Hypothese 20.<br />
3 Versuche von Mitarbeitern des Département de Science politique der Universität Genf, mit Migliedern<br />
der Wahlen-Kommission Interviews durchzuführen, waren nicht sehr ergiebig.