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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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196<br />

Unsere Annahme, dass mit der Einführung des relativen Mehrheitswahlrechts ein<br />

signifikanter Einfluss in Richtung auf ein Zweiparteiensystem ausgeübt werden<br />

kann, lässt sich auf der Gr<strong>und</strong>lage des vorhandenen empirischen Materials durchaus<br />

vertreten. Kaum umstritten ist auch die Vorstellung, dass mit diesem Wahlsystem<br />

die Bildung einer stabilen Einparteienregierung <strong>und</strong> einer wirksamen Opposition<br />

mit der Chance von Machtwechseln gefördert werden kann. Das britische Beispiel<br />

berechtigt zur Erwartung, dass schon relativ geringe Stimmenverschiebungen<br />

einen Machtwechsel bewirken können <strong>und</strong> dass in der Regel schon ein geringer<br />

Stimmenvorsprung der siegreichen Partei sich in eine solide Sitzmehrheit im Parlament<br />

übersetzt (Kubusregel). 15 Nach Rae gilt:<br />

„Plurality and majority formulae tend to magnify changes in the popular support<br />

of parties when legislative seats are allocated, but P. R. systems generally have<br />

no such effect.“ 16<br />

In der neueren Literatur herrscht die „funktionelle Betrachtungsweise“ bei der Einschätzung<br />

von Wahlsystemen vor; dieses soll in erster Linie dazu dienen, handlungsfähige<br />

Regierungen <strong>und</strong> kohärente Oppositionen zu schaffen sowie den Wählern<br />

die Möglichkeit einräumen, mit dem Wahlzettel möglichst direkt die Regierungsmannschaft<br />

zu bestimmen. Mit der funktionellen Betrachtungsweise aber<br />

erhält der Majorz wieder neuen Auftrieb, der nach dem ersten Weltkrieg in fast allen<br />

kontinentaleuropäischen Ländern, so auch in der Schweiz, abgeschafft wurde. 17 –<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland empfahl 1968 eine von der Regierung eingesetzte<br />

Expertenkommission die Einführung des relativen Mehrheitswahlrechts. 18 Für<br />

Österreich schlug Karl-Heinz Nassmacher das relative Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen<br />

vor, um die Voraussetzungen für ein „alternierendes Regierungssystem“<br />

englischen Musters zu schaffen <strong>und</strong> um es der Wählerschaft zu ermöglichen,<br />

als „ultimate authority“ unmittelbar<br />

Zur Berechnung von Fe gilt folgende Formel:<br />

wobei Tj der Stimmenanteil in Prozent ist, den irgendeine der beteiligten Parteien erreicht (analoge<br />

Formel für Fp). – Der Fe-Wert, der optimal unserem operationalen Ziel entspricht, beträgt 0,5. Die Untersuchung<br />

von Rae hat nun ergeben, dass der durchschnittliche Fe-Wert bei den Systemen mit relativer<br />

oder absoluter Mehrheitswahl 0,54 beträgt, bei Proporzsystemen dagegen 0,73. Der durchschnittliche<br />

Fp-Wert bei den Majorzwahlsystemen beträgt nur 0,51, während er bei den Proporzsystemen<br />

0,70 ausmacht. – Nach Rae gilt auch: Je kleiner die Wahlkreise, desto geringer die Fraktionalisierung.<br />

Bei Einerwahlkreisen, was wir vorschlagen, errechnete Rae einen durchschnittlichen Fe-<br />

Wert von 0,548 <strong>und</strong> einen Fp-Wert von 0,508 (op. cit., S. 120 f.).<br />

15 Die Kubusregel besagt, dass bei relativer Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen bei Zweiparteienkonkurrenz<br />

die Mandatzahlen der beiden Parteien sich normalerweise verhalten wie die dritten Potenzen<br />

ihrer Stimmenanteile. Siehe: Duverger, Partis Politiques (op. cit.), S. 356; Rae, op. cit., S. 27. Siehe<br />

auch: Edward R. Tufte, „The Relationship Between Seats and Votes in Two-Party Systems“, APSR,<br />

Vol. 67, No. 2, Juni 1973, S. 540-554.<br />

16 Rae, op cit., S. 101.<br />

17 Siehe: Ferdinand A. Hermens, Demokratie oder Anarchie Untersuchung über die Verhältniswahl,<br />

Köln/Opladen, 2. Auflage 1968; Jean-Marie Cotteret/Claude Emeri, Les systèmes électoraux, („Que<br />

sais-je „ Nr. 13821, Paris 1970, S. 68 ff.; Heino Kaack, Zwischen Verhältniswahl <strong>und</strong> Mehrheitswahl,<br />

Opladen 1967, S. 65.<br />

18 Zur Neugestaltung des B<strong>und</strong>estagswahlrechts. Bericht des vom B<strong>und</strong>esminister des Innern eingesetzten<br />

Beirats für Fragen der Wahlrechtsreform, Bonn 1968.

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