Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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bündel die Wahrscheinlichkeit erheblich herabgesetzt, dass eine Allparteienregierung<br />
weiterbestehen würde. Hat das Volk einmal einer Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung<br />
zugestimmt, als deren Ziel die Schaffung einer leistungsfähigen<br />
Opposition dargestellt wurde, so hat die Fortführung der Zauberformelpolitik ihre<br />
demokratische Legitimität weitgehend eingebüsst. Beharren auf der Allparteienregierung<br />
würde zu wachsender Kritik am „Machtkartell“ der Parteien führen. An den<br />
Extremen des politischen Spektrums wäre mit Radikalisierungstendenzen zu rechnen,<br />
die übrigens kein legales „Ventil“ finden könnten, da Kleinparteien beim neuen<br />
Wahlsystem keine Chancen besässen <strong>und</strong> Referendum <strong>und</strong> Initiative unter der<br />
Kontrolle der Regierungsparteien lägen. – Unser Massnahmenpaket verringert in<br />
ganz erheblicher Weise die Attraktivität einer Regierungsbeteiligung für eine Partei,<br />
die weder den B<strong>und</strong>espräsidenten noch den Vizepräsidenten stellen kann. Anderseits<br />
ist die Oppositionsrolle durch die Reformen bedeutend anziehender geworden<br />
als im bisherigen System, da sich eine stagnierende Partei von dieser Rolle neuen<br />
Auftrieb versprechen kann, der sogar die Chance eines Wahlsieges miteinschliesst.<br />
– Zusammenfassend kann man sagen, dass nach Einführung der neuen Verfassung<br />
eine über längere Zeit andauernde Allparteienregierung denkbar unwahrscheinlich<br />
wäre.<br />
(2) Die höchste Wahrscheinlichkeit dürfte einem Szenarium zugemessen werden,<br />
das sich im wesentlichen nach dem oben, Seite 193, beschriebenen Gr<strong>und</strong>muster<br />
abspielt:<br />
Die Sozialdemokraten treten den ersten Wahlkampf nach neuem Recht mit der<br />
Erklärung an, sich an keiner Grossen Koalition beteiligen zu wollen, um mit dem<br />
„Oppositionseffekt“ die antizipierten Sitzverluste möglichst gering halten zu können.<br />
Die Wahlen ergeben, wie dies die Meli-Simulation vorhersagt, eine Sitzkonzentration<br />
zugunsten der bürgerlichen Parteien FdP, CVP <strong>und</strong> SVP. Diese<br />
stellen die Regierung, sind jedoch von Anfang an zu enger Zusammenarbeit gezwungen,<br />
da sie sich auf einen mit erheblichen Machtvollkommenheiten ausgestatteten<br />
B<strong>und</strong>espräsidenten einigen müssen. Zudem stehen sie unter einem<br />
gewissen Zwang, ihre Politik programmatisch abzustützen, um der Opposition<br />
das Spiel nicht allzu sehr zu erleichtern. Dieses „Näher-Zusammenrücken“ dürfte<br />
zu internen Spannungen bei den Regierungsparteien <strong>und</strong> eventuell zu Absatzbewegungen<br />
von Dissidenten führen, die sich dem „andern Pol“, den Sozialdemokraten,<br />
anzunähern versuchen. – In der Opposition vermögen die Sozialdemokraten<br />
vom „Abnützungseffekt“, der die bürgerliche Regierungskoalition<br />
trifft, wegen des Wahlrechts allein zu profitieren. Nach zwei bis vier Legislaturperioden<br />
gelingt ihnen ein Wahlsieg. – Das Wahlrecht zwingt die bürgerlichen<br />
Parteien, auch in der Opposition sehr eng zusammenzuarbeiten oder gar gänzlich<br />
zu fusionieren. Kleine Oppositionsparteien, welche die Zusammenarbeit<br />
verweigern, setzen sich dem Risiko aus, wegen des Mehrheitswahlrechts aufgerieben<br />
zu werden. – Sobald die SP einmal die Limite von ungefähr 40 Prozent<br />
der Wählerstimmen überschritten hat, ist „ausgewogene Bipolarität“ insofern<br />
hergestellt, als hinfort jede Regierungsmehrheit damit rechnen muss, am Ende<br />
der Legislaturperiode abgewählt zu werden.