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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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„communication overload“ <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en einen „decision overload“ 1 herbeigeführt.<br />

Bereits der Fragenkatalog bezog eine übermässige Anzahl von Themen<br />

<strong>und</strong> Gegenständen in die Verfassungsdiskussion ein. In ihrem Schlussbericht weitete<br />

die Kommission den schon überlasteten Themenkreis zusätzlich aus. Eine<br />

systematische, interpersonal überprüfbare Auswertung des eingegangenen Antwortenmaterials<br />

gelang ihr nicht. Vielmehr musste sie ihren Schlussbericht als fünf<strong>und</strong>fünfzigste<br />

Vernehmlassung konzipieren, die sich zu den 54 eingegangenen Antworten<br />

hinzugesellt, ohne diese wirklich zu verarbeiten. Man darf wohl sagen, dass der<br />

Schlussbericht der Kommission in seiner Substanz von den eingegangenen Antworten<br />

kaum beeinflusst wurde <strong>und</strong> auch ohne die aufwendige Umfrage den gleichen<br />

Tenor aufgewiesen hätte. – Karl W. Deutsch weist darauf hin, dass in komplexen<br />

Kommunikationssystemen „strategische Vereinfachungen“ notwendig sein<br />

können. 2 Auf solche Vereinfachungen verzichtete die Kommission gänzlich, sei es<br />

in Form von „Diskussionsvermutungen“, sei es in Form von homogenisierenden<br />

Richtlinien für die Fragenbeantwortung. Die Kommission hat davon abgesehen,<br />

Umfragespezialisten zuzuziehen. – Ob in einem späteren Verfahrensstadium die<br />

strategischen Vereinfachungen noch nachgeholt werden können, ist fraglich. Jedenfalls<br />

hat die Wahlen-Kommission das Parlament bereits als ausserstande erklärt,<br />

die komplexe Angelegenheit zu bewältigen, <strong>und</strong> eine Konstituante vorgeschlagen.<br />

Es ist zweifelhaft, ob sich die massgeblichen politischen Akteure in der<br />

Schweiz auf ein solches Experiment einlassen werden. – Die massive „Kommunikationsüberlastung“,<br />

die sich unter anderem in dem gewaltigen Dokumentenausstoss<br />

der Kommission manifestiert, setzt die Wahrscheinlichkeit herab, dass die bisherigen<br />

Anstrengungen überhaupt je zu einer formell totalrevidierten Verfassung<br />

führen. Aber auch die Ausrichtung der bisherigen Diskussion auf disparate Partikularmassnahmen<br />

wirkt wegen des damit verb<strong>und</strong>enen erhöhten Abstimmungsrisikos<br />

in der gleichen Richtung.<br />

Die Vermutung wäre indessen falsch, dass die Chance für die Inkraftsetzung einer<br />

formell totalrevidierten Verfassung Null oder beinahe Null betragen würde. Schliesslich<br />

steht das Reformunternehmen unter dem psychologischen Druck, dass „sich<br />

irgend etwas tun muss“ (Eichenberger). Erhebliche Anstrengungen dürften aufgewendet<br />

werden, um ein offenk<strong>und</strong>iges Scheitern des Unternehmens zu vermeiden.<br />

Unsere Prognose besagt nun, dass selbst dann jede signifikante Neuerung im Bereich<br />

des „Regierungssystems“ als Folge der bisherigen Reformtätigkeit ausbleiben<br />

wird, wenn eine formell totalrevidierte Verfassung in Kraft gesetzt werden sollte.<br />

Konkret bedeutet dies, dass eine konzertierte, zielgerichtete Umstrukturierung der<br />

zentralen staatlichen Institutionen ausbleiben wird. (Eine solche Eventualität wurde<br />

von der Wahlen-Kommission a priori ausgeschlossen.) Des weitern besagt die<br />

Prognose, dass „radikale“ Reformpostulate vom Typ, wie sie oben in Kapitel 3<br />

namhaft gemacht wurden, nicht realisiert werden. Möglich ist hingegen, dass solche<br />

Postulate verwirklicht werden, welche die gr<strong>und</strong>legende Kräftekonstellation im Staat<br />

nicht berühren können. Zu denken ist etwa an die Einführung der Gesetzesinitiative<br />

zur<br />

1 Karl W. Deutsch, The Nerves of Government – Models of Political Communication and Control, The<br />

Free Press, New York 1966, S. 162.<br />

2 Deutsch, op. cit., S. 251.

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