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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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einen Ausweg aus dem Dilemma. Bei der von der Kommission vorgenommenen<br />

Themaabgrenzung würde sich die Tätigkeit einer Konstituante sehr in die Länge<br />

ziehen <strong>und</strong> einen kaum erträglichen „Suspensiveffekt“ auf die Aktivitäten von Regierung<br />

<strong>und</strong> ordentlichem Parlament ausüben. Ein längerdauernder Dualismus zwischen<br />

ordentlichem Parlament <strong>und</strong> Konstituante könnte zu Verunsicherungen <strong>und</strong><br />

Konfusion im Staatsbetrieb führen. Überdies wäre es schwierig, fachlich kompetente,<br />

politisch repräsentative <strong>und</strong> zeitlich abkömmliche Persönlichkeiten für eine Konstituante<br />

zu finden. Massive Kumulationen von Parlamentarierrollen <strong>und</strong> solchen<br />

von Konstituante-Mitgliedern würden die vermeintlichen Vorteile einer Konstituante<br />

unverzüglich illusorisch machen.<br />

Die nochmalige Ausweitung der Diskussion über die Abgrenzungslinie des Fragenkatalogs<br />

hinaus bedeutet einerseits eine Desavouierung des Katalogs <strong>und</strong> anderseits<br />

eine gewisse Geringschätzung der eingegangenen Vernehmlassungen. Für<br />

diese Geringschätzung gibt es verschiedene Indizien im Schlussbericht der Kommission.<br />

Während zahlreiche Vorschläge nur summarisch resümiert, pauschal als<br />

diskutabel oder untauglich eingestuft werden oder ohne Kommentar bleiben, benützten<br />

die Kommissionsreferenten eingegangene Vorschläge hauptsächlich als<br />

Unterstützung oder Kontrast eigener Meinungen. Instruktiv ist dabei die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie sich die Referenten auf „die Meinung der Mehrheit der Vernehmlassungen“<br />

berufen. Oft erscheint der Verweis auf die „Mehrheitsmeinung“ als gewichtiges<br />

Argument für die Beibehaltung des Status quo in einem bestimmten Gebiet, vereinzelt<br />

auch als Legitimierung für eine Neuerung, etwa beim Vorschlag, die Gesetzesinitiative<br />

einzuführen. 17 Doch erachtete sich die Kommission keineswegs durch<br />

„Mehrheitsmeinungen“ geb<strong>und</strong>en. Die Auffassung beispielsweise, dass die Zusammensetzung<br />

des Ständerates „eines der zentralen Themen“, wenn nicht sogar<br />

„der Schwerpunkt überhaupt“ der Totalrevision sei, 18 kann sich kaum auf eine<br />

„Mehrheitsmeinung“ in den Vernehmlassungen abstützen; denn im Katalog fehlt<br />

jede Frage nach Reformprioritäten. – Die Kommission befürwortete auch den Vorschlag,<br />

beim Kantonsreferendum ein Quorum von drei Ständen vorzusehen, was<br />

durch keinerlei Mehrheit der Vernehmlassungen gedeckt ist. 19 Keine wie immer zu<br />

berechnende Vernehmlassungsmehrheit steht des weitern hinter dem Vorschlag<br />

der Kommission, in der künftigen Verfassung nicht nur die Aufgaben des B<strong>und</strong>es,<br />

sondern auch Kantonsaufgaben zu umschreiben. 20<br />

c) Überflüssigkeit des Vernehmlassungsverfahrens<br />

Für ein hängiges Totalrevisionsverfahren ist es wichtig, dass Klarheit darüber besteht,<br />

in welchem Ausmass frühere Teilreformen <strong>und</strong> parallellaufende Reformunternehmen<br />

„präjudizierend“ wirken, d. h. ob derartige partielle Neugestaltungen<br />

eine solche Endgültigkeit erreichen oder anstreben, dass sie auch im Rahmen einer<br />

Totalrevision respektiert werden müssen. Das im Februar 1971 eingeführte Erwachsenen-Stimm-<br />

<strong>und</strong> Wahlrecht auf B<strong>und</strong>esebene beispiels-<br />

17 SB S. 235 ff.<br />

18 SB S. 463.<br />

19 SB S. 302, 727; Register S. 130.<br />

20 SB S. 725; Register S. 120 f.

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