Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Dringlichkeit dieses Gesetzgebungsprojektes drastisch unterstrichen. 23 Man hätte<br />
zudem erwarten können, dass Fragen der Verwaltungs- <strong>und</strong> Regierungsorganisation,<br />
welche den B<strong>und</strong>esrat ja direkt <strong>und</strong> unmittelbar betreffen, noch am ehesten<br />
unter der faktischen Kontrolle der Regierung stünden. Die versprochene Botschaft<br />
gelangte aber auch in den Jahren 1973 <strong>und</strong> 1974 nicht ans Parlament. Offenbar<br />
hatte der Vorschlag, die Handelsabteilung vom Volkswirtschaftsdepartement ins<br />
<strong>Politische</strong> Departement zu verlegen, den Widerstand der „soziologischen Legislativkräfte“<br />
ausgelöst.<br />
(2) Stärkung des Kollegialitätsprinzips<br />
Die Motion Schürmann sah die Richtlinieninstitution nicht im Zusammenhang mit<br />
einer eventuellen Kanzleraufwertung, <strong>und</strong> die Hongler-Kommission sprach nicht<br />
von Regierungsrichtlinien. Erst später wurden die beiden Neuerungen kombiniert<br />
<strong>und</strong> der Kanzler zum Hauptakteur in Richtlinienangelegenheiten gemacht. Die Bedenken,<br />
die wir gegenüber der Auffassung äusserten, die Kanzleireform vermöchte<br />
das Kollegialitätsprinzip zu sanieren, gelten somit mutatis mutandis auch für die<br />
Richtliniendokumente. – In seiner Botschaft vom 12. November 1969 führte der<br />
B<strong>und</strong>esrat indessen noch ein mehr psychologisches Argument an, wie die Richtlinien<br />
die Kollegialregierung stärken könnten.<br />
„Die Auseinandersetzung <strong>und</strong> gemeinsame Bemühung der Mitglieder des B<strong>und</strong>esrates<br />
um eine programmatische F<strong>und</strong>ierung der Politik sind geeignete Mittel,<br />
um den Kollegialcharakter des B<strong>und</strong>esrates zu stärken <strong>und</strong> zur Begründung <strong>und</strong><br />
Entwicklung eines gemeinsamen Führungswillens sowie zur Straffung der Regierungstätigkeit<br />
beizutragen.“<br />
Ob diese Argumentation stichhaltig ist, darf füglich bezweifelt werden. Es ist keineswegs<br />
wahrscheinlich, dass vertiefte Gr<strong>und</strong>satzdebatten in einem sehr heterogen<br />
zusammengesetzten Regierungsgremium einen gemeinsamen Führungswillen zu<br />
schaffen vermögen. Naheliegender ist vielmehr die Annahme, dass solche Debatten<br />
bei den Beteiligten lediglich das Bewusstsein fördern, dass gerade in den wichtigsten<br />
Fragen die grösste Diskrepanz der Meinungen besteht. – Auch Diskussionen<br />
in der Regierung über Interpretation <strong>und</strong> Vollzug bereits beschlossener Richtlinien<br />
dürften, da sie die Unabhängigkeit der einzelnen Departemente in Gefahr<br />
bringen könnten, eher zu Konflikten als zu gemeinsamem Führungswillen im B<strong>und</strong>esrat<br />
führen.<br />
c) Die Legislaturziele der Regierungsparteien<br />
In seinem Büchlein Regierung <strong>und</strong> Opposition im schweizerischen B<strong>und</strong>esstaat<br />
stellte Erich Gruner das „Modell eines modifizierten Regierungssystems“ vor, welches<br />
„das Wechselspiel von Regierung <strong>und</strong> Opposition“ ermöglichen soll. 24 Die<br />
Zielsetzung des Modells von Gruner <strong>und</strong> jene unseres Modells stimmen, wie noch<br />
aufzuzeigen sein wird, weitgehend überein. – Für die Zielverwirklichung<br />
23 Zur Einschätzung der Dringlichkeit durch die Huber-Kommission siehe oben S. 164.<br />
24 Gruner, Opposition (op. cit.), S. 56–65.