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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Wieso soll eine Beziehung bestehen zwischen dem neuerwachten Institutioneninteresse<br />

<strong>und</strong> dem Postbehaviorismus – Die klassischen „unabhängigen“ Variablen<br />

der Behavioristen wie politische Kultur, sozio-ökonomische Entwicklung <strong>und</strong><br />

ähnliches (häufig in bezug gesetzt zur „abhängigen“ Variablen der politischen Stabilität)<br />

lassen sich nur schwerlich beeinflussen. Eines ihrer vorausgesetzten Merkmale<br />

ist ja gerade ihre relative Beständigkeit. Dem gestaltenden Eingriff sind sie wegen<br />

ihrer Nebulosität oder Überkomplexität entrückt. 43 Formelle politische Institutionen<br />

dagegen lassen sich eher durch zielgerichteten Eingriff verändern. Wer daher<br />

interessiert ist an der Steuerung sozialer Vorgänge, an Sozialplanung, an Zukunftsgestaltung,<br />

wird daher sein Augenmerk vermehrt auf formelle Institutionen, das<br />

heisst manipulierbare Variablen legen.<br />

2. Wissenschaftliche Beratung von Verfassungspolitik<br />

a) Der „Policy Science“-Ansatz<br />

Neopositivismus, in der Politikwissenschaft konsequent angewendet, führt zu einer<br />

Entfremdung des Wissenschaftsbetriebes von den Problemlösungsbedürfnissen<br />

der praktischen Politik. Die Beschränkung auf Stückwerktechnologie muss in dem<br />

Masse als unbefriedigend empf<strong>und</strong>en werden, als umfassende Probleme wie<br />

Raumplanung, Umweltschutz, internationale Verflechtung <strong>und</strong> Schaffung von Steuerungskapazitäten<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> treten. Sobald Fragen der Zukunftsgestaltung<br />

gestellt werden, enthüllt sich neopositivistischer Wissenschaftsbetrieb als<br />

konservativ <strong>und</strong> vergangenheitsbezogen; denn die Beschreibung <strong>und</strong> Analyse beobachtbaren<br />

Verhaltens führt nicht notwendig zu Kriterien für die angemessene<br />

Ausrichtung künftigen Verhaltens. 1 Auch das Automobil wurde schliesslich nicht<br />

erf<strong>und</strong>en, indem man das Funktionieren von Pferdedroschken faktoranalysierte.<br />

Nach Easton arbeitet die Menschheit von heute unter erheblichem Zeitdruck, 2 <strong>und</strong><br />

das aphoristisch gemeinte Erste Drorsche Gesetz besagt: „While the difficulties and<br />

dangers of problemstend to increase at a geometric rate, the number of persons<br />

qualified to deal with these problems tends to increase at an arithmetic rate.“ 3 In<br />

dieser Perspektive muss die stereotype Auskunft vieler Wissenschafter, dass für<br />

eine erspriessliche Politikberatung in einer bestimmten Sache „die sichere Gr<strong>und</strong>lage<br />

fehle“, als beunruhigend erscheinen. 4 G. Myrdal er-<br />

43 Jürg Steiner beispielsweise (Gewaltlose Politik <strong>und</strong> kulturelle Vielfalt- Hypothesen entwickelt am Beispiel<br />

der Schweiz, Bern 1970) betrachtete, dem damaligen Modetrend folgend, eine Dimension politischer<br />

Stabilität als seine „abhängige“ Variable. Zahlreiche seiner „unabhängigen“ Variablen sind kaum<br />

manipulierbar. Jene unabhängigen Variablen, die als manipulierbar erscheinen, sind emotionell jedem<br />

gestaltenden Eingriff entrückt, weil sie in Beziehung gesetzt sind zum hohen politischen Gut der Gewaltlosigkeit.<br />

Die Errungenschaft der gewaltlosen Konfliktregelung in der Schweiz ist nämlich gefährdet,<br />

wenn man die sie verursachenden Faktoren verändert.<br />

1 Von Beyme, op. cit., S. 47 f.; Easton, New Revolution (op. cit.), S. 1052 Ziff. 2. 2 Easton, New Revolution<br />

(op. cit.), S. 1053.<br />

3 Dror, op. cit., S. 65.<br />

4 Nach Kurt Eichenberger hätte man sich mit einer Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung gedulden müssen,<br />

bis die Wissenschaft die nötigen Kenntnisse erarbeitet gehabt hätte. (Eichenberger, Richtpunkte –<br />

op. cit., S. 71 f.) – Siehe auch: Raim<strong>und</strong> E. Germann, „Zur Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung – Welchen<br />

Beitrag kann die Wissenschaft leisten“, Annuaire suisse de science politique 1973, S. 90 ff.

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