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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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187<br />

b) Dle Beseitigung der lnstitutlönellen „Konkordanzzwänge“<br />

In langsamer Entwicklung bildete sich in der Schweiz eine ständig verfeinerte partei-<br />

<strong>und</strong> interessenpolitische Proportionalisierung aller wesentlichen Staatsorgane<br />

sowie spezifische Konfliktsregelungsmuster heraus, wofür man den Ausdruck „Konkordanzdemokratie“<br />

geprägt hat. Ihren Höhepunkt findet sie in der 1959 installierten<br />

Allparteienregierung. – Bei der Diskussion der Konkordanzpolitik herrschen in der<br />

neueren Literatur zwei Tendenzen vor. Die eine sieht darin eine „in der Geschichte<br />

tief verwurzelte“ kulturelle Eigenart der Schweiz, die weiter nicht erklärungsbedürftig<br />

ist, sondern zur Erklärung anderer politischer Phänomene dient. Nach Steiner ist<br />

der Proporz-B<strong>und</strong>esrat nach der Formel von 1959 die krönende Vollendung eines<br />

Gr<strong>und</strong>musters „gütlichen Einvernehmens“, das – seit 1291! – „die eidgenössische<br />

Geschichte wie ein roter Faden durchzieht“. 4 Die andere Tendenz sieht in institutionellen<br />

Faktoren, insbesondere im Referendum, eine eigenständige Ursache für die<br />

Herausbildung der Konkordanzpolitik. 5 Es ist in der Tat naheliegender, die erstmalige<br />

Wahl eines Katholisch-Konservativen in den B<strong>und</strong>esrat im Jahre 1891 auf dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> der damaligen Referendumsstrategie der Konservativen zu sehen, als<br />

das geheimnisvolle Keimen eines nationalen Prinzips zu postulieren. Auch für die<br />

„Zauberformel“, die seit 1959 den Sozialdemokraten einen proportionalen Sitzanteil<br />

im B<strong>und</strong>esrat einräumt, lassen sich, wie zu zeigen sein wird, durchaus prosaische<br />

Erklärungen anführen.<br />

In diesem Zusammenhang spielen indessen die möglichen Ursachen <strong>und</strong> die Genese<br />

der heutigen Konkordanzpolitik nur eine untergeordnete Rolle. Wesentlicher<br />

dürfte die Feststellung sein, dass ohne gr<strong>und</strong>legende Verfassungsänderung ein<br />

Abgehen von Konkordanz <strong>und</strong> Allparteienregierung praktisch unmöglich ist. Die<br />

Option für einen Regierungsmodus, der mit einem geringeren Konsensbedarf auskommt,<br />

wie es unser operationales Ziel postuliert, ist von Verfassungs wegen verbaut.<br />

– Selbst wenn die Schweiz ein Zweiparteiensystem gemäss Operationalisierung<br />

(2) besässe, müsste eine Grosse Koalition perpetuiert werden, weil nicht<br />

beide Parteien gleiche Chancen zur alleinigen Führung der Regierungsgeschäfte<br />

besässen. Der „progressiven“ Partei wäre es kaum möglich, in beiden Kammern die<br />

Mehrheit zu erringen. Und die „konservative“ Partei wäre in der Opposition gar nicht<br />

vorstellbar, weil sie durch obstruktiven Gebrauch des Referendums die Regierung<br />

jederzeit lahmlegen könnte. Theoretisch wäre die Alleinherrschaft der „konservativen“<br />

Partei für einige Zeit denkbar, weil das Referendum als Kampfinstrument für<br />

eine „progressive“ Oppositionspartei von beschränktem Nutzen ist. 6 Im Falle von<br />

„Abnützungserscheinungen“ bei der „konservativen“ Regierungspartei böte die<br />

„progressive“ Partei, die aus den schon erwähnten Gründen nicht regierungsfähig<br />

wäre, jedoch<br />

4 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 36-38. Ähnlich: Gerhard Lehmbruch, Proporzdemokratie.<br />

<strong>Politische</strong>s System <strong>und</strong> politische Kultur in der Schweiz <strong>und</strong> in Österreich,Tübingen 1967, S. 15-19. Allerdings<br />

erwähnt dieser Autor beiläufig auch das Referendum als Ursache für die Herausbildung typisch<br />

schweizerischer Konfliktregelungsmuster (S. 50).<br />

5 Neidhart, Plebiszit (op. cit.). Siehe auch: Heinz Niemetz, „Zur schweizerischen Konkordanzdemokratie“,<br />

Schweizer R<strong>und</strong>schau, Nr. 2, 1970. Dieser Autor führt die schweizerischen Konfliktregelungsmuster<br />

nicht nur auf die politische Kultur, sondern nachdrücklich auch auf die Institution des fakultativen Referendums<br />

zurück (Sonderdruck S. 18).<br />

6 Siehe oben S. 160 ff.

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