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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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152<br />

„In subkulturell segmentierten demokratischen Systemen werden Konflikte relativ<br />

gewaltlos reguliert, wenn die politische Partizipation der einfachen Mitglieder<br />

des Systems relativ gering ist.“ 21<br />

Im Lichte revisionistischer Demokratietheorie sind untaugliche Partizipationsrechte<br />

nichts Alarmierendes. Im Gegenteil, sie befördern jenes gewisse Mass von Bürgerapathie,<br />

welches das Überleben des Systems gewährleistet. Sie vermögen jene<br />

resignierte Reaktion beim einfachen Bürger auszulösen, die sich auf die Formel<br />

bringen lässt: „Man kann ja doch nichts ausrichten, also lassen wir es bleiben.“<br />

Eine Auseinandersetzung mit der revisionistischen Demokratietheorie sei hier nicht<br />

unternommen; wir verweisen vielmehr auf die einschlägige Literatur. 22 Immerhin<br />

mag angemerkt werden, dass die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz selbst für<br />

Revisionisten beunruhigend sein könnten. Schliesslich postuliert die revisionistische<br />

Demokratietheorie nicht völlige Apathie der Bürger, sondern offenbar ein „ges<strong>und</strong>es<br />

Mittelmass“ von Apathie: „(It) is not to say that we can stand apathy without limit“<br />

(Berelson). Dieses Mittelmass scheint verlorengegangen zu sein. Bei der Überfremdungsinitiative<br />

vom 7. Juni 1970 erreichte die Stimmbeteiligung 74 Prozent,<br />

eine seit 1947 nicht mehr gesehene Rekordhöhe bei einem eidgenössischen Urnengang.<br />

Die Nein-Stimmen überwogen nur knapp; nur 54 Prozent der Stimmenden<br />

legten – in der Ausdrucksweise der Neuen Zürcher Zeitung – ein „Nein der<br />

Vernunft <strong>und</strong> des Masses“ in die Urne. 23 – Bei der Abstimmung über die Einfügung<br />

von Bildungs- <strong>und</strong> Forschungsartikeln in die B<strong>und</strong>esverfassung vom 4. März 1973<br />

dagegen erreichte die Stimmbeteiligung mit 26,5 Prozent „den absoluten Tiefstpunkt<br />

aller eidgenössischen Urnengänge seit 1879, dem ersten Jahr, da sie ermittelt<br />

wurde“. 24 – Generell zeigt die Stimmbeteiligung bei eidgenössischen Urnengängen<br />

seit dem Zweiten Weltkrieg eine sinkende Tendenz. Das Desinteresse der<br />

Bürger traf dabei am ausgeprägtesten das an „Funktionsverlust“ krankende fakultative<br />

Referendum. 25<br />

b) Krise der staatlichen Leistungsfähigkeit<br />

Eine Gallup-Umfrage im Jahre 1970 bei 200 führenden Persönlichkeiten aus 40<br />

Ländern ergab, dass die Schweiz am häufigsten als bestregiertes Land genannt<br />

wurde. 26 – In seinem Buch über Gewaltlose Politik verweist Jürg Steiner auf eine<br />

(noch nicht publizierte) Untersuchung von Hermann Weilenmann <strong>und</strong> Karl W.<br />

Deutsch, in welcher die Output-Leistungen der Schweiz mit jenen von acht andern<br />

Industrienationen verglichen werden. Die folgenden acht Dimen-<br />

21 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 291 f.<br />

22 Siehe die Beiträge von Hield, Gouldner, Bottomore, Kariel, Bay, Duncan, Lukes, Davis, Walker et al. in:<br />

Kariel, op. cit., S. 95–323.<br />

23 NZZ, Nr. 259, 8.6.1970, S. 1, Überschrift des Leitartikels; siehe auch Tobler, op. cit., S. 43 f.<br />

24 NZZ, Nr. 106, 5.3.1973, S. 1.<br />

25 Leonhard Neidhart, „Determinanten des politischen Verhaltens bei Sachentscheidungen“, Schweizerisches<br />

Jahrbuch für <strong>Politische</strong> Wissenschaft 1971, S. 65 ff.<br />

26 „Gallup Poll: World leaders say Swiss are best governed people“, International Herald Tribune,<br />

27./28.6.1970, zitiert bei: Schumann, op. cit., S IX.

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