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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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aufweisen. – Zahlreiche Aussagen der beiden bisher erschienenen Richtliniendokumente<br />

sind inhaltsarm <strong>und</strong> liegen in der Nähe von „Leerformeln“. 20 Bei den meisten<br />

behandelten Bereichen beschränken sich die Dokumente auf die Angabe, dass ein<br />

neues Gesetz oder eine Gesetzesrevision verabschiedet werden soll. Nur spärlich<br />

sind die Auskünfte über die Ziele, welche die geplanten Gesetze anstreben, <strong>und</strong> die<br />

Massnahmenbündel für die Zielverwirklichung. Klare Prioritätsordnungen lassen<br />

sich in den bisher erschienenen Richtliniendokumenten kaum nachweisen.<br />

Richtlinien <strong>und</strong> Rechenschaftsbericht über deren Vollzug werden vom B<strong>und</strong>eskanzler<br />

zuhanden des B<strong>und</strong>esrates ausgearbeitet. Der Kanzler hat auch die Einhaltung<br />

der Richtlinien zu überwachen. Es ist aber bei der ambivalenten Stellung<br />

des Kanzlers <strong>und</strong> der gegebenen Departementalisierung von Regierung <strong>und</strong> Verwaltung<br />

kaum vorstellbar, dass der Kanzler gegenüber einem widerspenstigen<br />

Departement die Respektierung der Richtlinien durchsetzen könnte. Dass er das<br />

B<strong>und</strong>esratskollegium mit einem solchen Fall befassen <strong>und</strong> einen Kollegiumsbeschluss<br />

erwirken würde, ist mindestens psychologisch nicht sehr naheliegend. Eine<br />

seltene Ausnahme dürfte es auch sein, dass ein B<strong>und</strong>esrat gegenüber einem andern<br />

Departementsvorsteher auf der Einhaltung der Richtlinien besteht. Solche<br />

Einmischungen in ein fremdes Departement sind nämlich geeignet, entsprechende<br />

Retorsionsmassnahmen auszulösen.<br />

Es ist anerkannt, dass schweizerische Regierungsrichtlinien eigentlich für niemanden<br />

verbindlich sind. Das Parlament darf sie bloss diskutieren <strong>und</strong> „zur Kenntnis<br />

nehmen“. Nach Auffassung eines b<strong>und</strong>esrätlichen Sprechers hat es nicht einmal<br />

das Recht, sie zurückzuweisen. 21 Der B<strong>und</strong>esrat behält sich ausdrücklich Abweichungen<br />

von seinen eigenen Richtlinien vor, will jedoch solche Abweichungen jeweils<br />

öffentlich begründen. – Der Huber-Bericht führt aus, dass die Regierungsrichtlinien<br />

„eine Strecke weit auch Absichten aufnehmen, für deren Realisierung nicht<br />

der B<strong>und</strong>esrat, sondern die B<strong>und</strong>esversammlung zuständig ist“. 22 Man könnte ergänzen,<br />

dass in schweizerischen Regierungsrichtlinien der B<strong>und</strong>esrat – über den<br />

Vorbehalt der Parlamentszuständigkeit hinaus – Dinge versprechen muss, die ausserhalb<br />

seiner faktischen Kontrolle liegen. Selbst die Einhaltung von Fristen für die<br />

Vorlage von Gesetzgebungsprojekten kann die Regierung nur beschränkt kontrollieren,<br />

da sich die Bargaining-Prozesse zwischen den „soziologischen Legislativkräften“<br />

kaum programmieren lassen. Ohne es über Gebühr verallgemeinern zu<br />

wollen, sei folgendes Beispiel angeführt. In den Richtlinien vom Mai 1968 versprach<br />

die Regierung, eine Botschaft über - die Totalrevision des Verwaltungsorganisationsgesetzes<br />

„spätestens“ auf Ende der Legislaturperiode dem Parlament vorzulegen.<br />

Im Rechenschaftsbericht vom April 1971 versprach sie, die Botschaft „auf die Wintersession<br />

1971, spätestens auf die Frühjahrssession 1972“ einzureichen. Ein drittes<br />

Versprechen legte die Regierung in den Richtlinien vom März 1972 ab <strong>und</strong><br />

stellte die Botschaft noch für das Jahr 1972 in Aussicht. – Nicht nur die Huber-<br />

Kommission, sondern auch die beiden Richtliniendokumente hatten die<br />

20 Zum Begriff der „Leerformel“ siehe oben S. 24.<br />

21 Siehe Stellungnahme von B<strong>und</strong>espräsident Celio zu Rückweisungsanträgen in der nationalrätlichen<br />

Richtliniendebatte vom 25. 4. 1972 (NZZ, Nr. 194, 26. 4. 7972, S. 17).<br />

22 Huber-Bericht, S. 12.

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