Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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ZWEITER TEIL<br />
Politikwissenschaft <strong>und</strong> globale Verfassungsrevision<br />
Der vorwiegend deskriptive erste Teil dieses Buches untersuchte die Tätigkeit der<br />
Wahlen-Kommission unter dem Gesichtspunkt der <strong>Innovation</strong>schancen für das<br />
politische System der Schweiz. Dieser zweite, mehr spekulativ-theoretische Teil<br />
möchte auf das Verhältnis von Wissenschaft <strong>und</strong> politischer <strong>Innovation</strong> eingehen.<br />
Es stellt sich die Frage nach dem Beitrag, den insbesondere die Disziplin der Politikwissenschaft<br />
zu einem Totalrevisionsunternehmen beisteuern kann, das auf<br />
signifikante politische <strong>Innovation</strong> ausgerichtet ist. Welche Kenntnisse <strong>und</strong> Theorien,<br />
auf die ein Totalrevisionsunternehmen sich abstützen könnte, hat diese Disziplin<br />
schon bereitgestellt Verhält sich Wissenschaft relativ neutral zu politischer Neuerung,<br />
auch wenn diese einen umfassenden <strong>und</strong> tiefgreifenden Charakter annimmt,<br />
oder zwingt die wissenschaftliche Methode eine „Sozialtechnik der Einzelprobleme“,<br />
die „Detailpflege“ auf Ist wissenschaftliches Vorgehen vereinbar mit globaler Reformabsicht<br />
– Das Thema der wissenschaftlichen Politikberatung bei komplexer<br />
Problematik ist damit angesprochen.<br />
Die Klärung der Frage nach dem, was man als legitimen Beitrag der Wissenschaft<br />
zu einem Totalrevisionsunternehmen bezeichnen kann, führt zur Aufstellung von<br />
Standards, die bei der Konstruktion von alternativen Verfassungsmodellen wegleitend<br />
sein sollen. Nach der These des Verfassers kann das Erarbeiten von heuristischen<br />
Verfassungsleitbildern nach vorgegebenen Standards als der zentrale Beitrag<br />
betrachtet werden, den die Wissenschaft für ein Totalrevisionsunternehmen<br />
leisten kann.<br />
Zur Illustration wird der dritte Teil dieses Buches die Erarbeitung eines solchen<br />
heuristischen Verfassungsmodells vorführen.<br />
1. Das Problem der Verfassungstechnologie<br />
a) Skepsis gegenüber Verfassungstechnologie<br />
Der Anspruch eines Thomas Hobbes (1588-1679), ein für allemal, unabhängig von<br />
Ort, Zeit <strong>und</strong> Umständen die Bedingungen der richtigen Staats- <strong>und</strong> Gesellschaftsordnung<br />
angeben zu können, wird heute nicht mehr erhoben. 1 Den Verfassungstechniker,<br />
der die Beschaffenheit der menschlichen Natur kennt <strong>und</strong> daraus<br />
die institutionellen Vorkehrungen ableitet, welche das richtige Funktionieren der<br />
Gesellschaft sicherstellen, gibt es nicht mehr. In der Einlei-<br />
1 „Though nothing can be immortal, which mortals make: yet, if men had use of reason they pretend to,<br />
their Commonwealths might be secured, at least, from perishing by internal diseases . . . Therefore<br />
when they come to be dissolved, not by external violence, but intestine disorder, the fault is not in men,<br />
as they are Matter, but as they are the Makers and orderers of them.“ (Thomas Hobbes, Leviathan,<br />
Einleitung des 29. Kapitels, Collier-Macmillan, London, 6. Auflage 1969, S. 237).