Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Nur bei Professor Max Imboden dürfte zweifelsfrei feststehen, dass er ein eindeutiger<br />
Befürworter einer Totalrevision war. In Wort <strong>und</strong> Schrift vertrat er seine<br />
engagierte Meinung; am 14. Mai 1966 hielt er an der Hochschule St. Gallen einen<br />
Vortrag unter dem pathetischen Titel: „Verfassungsrevision als Weg in die Zukunft“.<br />
– Imboden schied im Frühjahr 1969 durch Tod aus der Wahlen-Kommission aus.<br />
Drei Kommissionsmitglieder äusserten sich betont skeptisch zum Revisionsunternehmen.<br />
Professor Hans Huber bezweifelte – mit den Worten Savignys – den<br />
„Beruf unserer Zeit“ für eine Totalrevision. 4 – Professor Kurt Eichen-berger schrieb,<br />
dass das Totalrevisionsgespräch „recht eigentlich erzwungen“, dass der „Motor der<br />
Totalrevision verfrüht angekurbelt“ worden sei. Er fuhr fort:<br />
„,Es ist nun einmal so.’ Die Sache ist in Marsch gesetzt. Es gilt jetzt, das Beste<br />
daraus zu machen. Negativ ausgesprochen: Es müssen jetzt alle Bemühungen<br />
daran verwendet werden, dass das eingeleitete politische Abenteuer’ nicht in einem<br />
desintegrierenden <strong>und</strong> zerstörerischen Fiasko endet.“ 5<br />
Der sozialdemokratische B<strong>und</strong>esrichter Harald Huber bezeichnete am 19. April<br />
1968 vor einer Parteiversammlung eine Totalrevision als nicht opportun für die<br />
SPS: „L’époque n’est pasfavorable à une révision totale. Le parti serait majorisé, les<br />
idéaux socialistes ne rencontreraient pas l’accord du Parlement, ni celui du peuple.“<br />
6<br />
Der Kommissionspräsident F. T. Wahlen befliss sich souveräner Indifferenz hinsichtlich<br />
der Frage, ob eine Totalrevision anzustreben sei oder nicht. Vor Studenten<br />
der Eidg. Technischen Hochschule führte er am 2. Mai 1968 aus:<br />
„Es würde uns im Gegenteil freuen, auch kühne, originelle Vorschläge entgegennehmen<br />
zu können, die deutlich den Stempel des Nonkonformismus tragen.<br />
Es gibt nur eine Frage, die wir im jetzigen Stadium nicht beantwortet zu<br />
sehen wünschten: Totalrevision ja oder nein Wir glauben, dass eine solid zu<br />
begründende Antwort auf diese Frage erst gegeben werden kann, wenn die<br />
Auslegeordnung der Probleme in aller Gründlichkeit durchgeführt worden ist,<br />
<strong>und</strong> vor allem, wenn die Reaktion des Volkes auf diese Vorarbeiten sichtbar<br />
wird.“ 7<br />
Diese Äusserung geht von der (unrealistischen) Vorstellung aus, die Wahlen-<br />
Kommission könnte den sich selbst bewegenden „Volkswillen“ rein passiv registrieren<br />
<strong>und</strong> ihn dann als Bejahung oder Verneinung einer Totalrevision interpretieren.<br />
4 Hans Huber, „Gedanken über die Ausscheidung der Zuständigkeiten zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kantonen“,<br />
in: Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung – Ja oder Nein (op. cit.), S. 127.<br />
5 Eichenberger, „Richtpunkte“ (op. cit.), S. 72.<br />
6 G. A. Keel/ G. O. Sengond, Révision de la Constitution fédérale et partis politiques, Séminaire de<br />
Science politique, Université de Genève, 1971 (nicht publiziert), S. 39. Auch in einem Referat vor Gewerkschaftlerinnen<br />
gab B<strong>und</strong>esrichter Huber seiner Skepsis gegenüber dem Totalrevisionsunternehmen<br />
Ausdruck: „II m’est difficile d’imaginer que nous puissions, aujourd’hui ou dans un proche avenir,<br />
élaborer <strong>und</strong> Constitution fondamentalement révisée et que celle-ci trouve grâce devant le peuple et<br />
les cantons.“ Siehe: Harald Huber, „Faut-il réviser totalement la Constitution fédérale „,Revue syndicale<br />
suisse, 6112, fevrier 1969, S. 47.<br />
7 Friedrich T. Wahlen, Ist die Revision der B<strong>und</strong>esverfassung eine Aufgabe unserer Zeit, Vortrag gehalten<br />
am 2. Mai 1968 an der ETH zur Einleitung eines Seminars über die Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung,<br />
Zürich 1968, S. 16.