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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Entlastung der Verfassungsinitiative oder an eine symbolische Gratifikation für die<br />

Sozialdemokraten, die darin bestünde, dass diesen der Gewinn vereinzelter zusätzlicher<br />

Sitze im Ständerat ermöglicht wird.<br />

Soll bei der durch die Wahlen-Kommission geschaffenen Lage eine formell neue<br />

Verfassung nach wie vor verwirklicht werden, so bleibt der „grossen“ Verfassungskommission,<br />

welche die „kleine“ abgelöst hat, wohl nur eine Strategie, nämlich<br />

Kontroverspunkte <strong>und</strong> „heisse Eisen“ möglichst zu eliminieren sowie mächtige<br />

Vetogruppen durch grosszügiges Entgegenkommen zu beschwichtigen, <strong>und</strong> zwar<br />

beides in vermehrtem Masse, als es bisher schon geschehen ist. Politisch bedeutet<br />

dies den umfassenden Verzicht auf signifikante Neuerung im „Regierungssystem“<br />

<strong>und</strong> rechtstechnisch die häufige Verwendung von „abstrakten Richtnormen“ 3 <strong>und</strong><br />

„Fürstenermahnungen“, also von Normen mit geringer Gestaltungskraft. Eine solche<br />

Strategie könnte es gestatten, dass das Parlament eine neue Verfassung als<br />

eher belanglose Angelegenheit perzipiert <strong>und</strong> im Schnellverfahren gutheisst <strong>und</strong><br />

dass das Volk bei genügend aufwendiger Propaganda sie ebenfalls genehmigt. 4 –<br />

Formelle Totalrevision scheint bei der jetzigen Sachlage also nur möglich zu sein<br />

unter der Bedingung, dass die neue Verfassung auf jede <strong>Innovation</strong> verzichtet.<br />

Die Prognose des Verfassers über <strong>Innovation</strong> im „Regierungssystem“ deckt sich in<br />

etwa mit der Sicht von O. K. Kaufmann, eines Mitglieds der Wahlen-Kommission.<br />

Nachdem Kaufmann festgestellt hatte, dass die Revisionsvorschläge in den Vernehmlassungen<br />

sich „fast durchgehend auf mittelwichtige Punkte“ bezögen, führte<br />

er aus:<br />

„Was sie (die Wahlen-Kommission) vorbereitet, würde besser nicht als ,Totalrevision’,<br />

sondern als ‚Generalrevision’ der Verfassung bezeichnet. Was an alten<br />

Strukturen gut ist, soll bleiben, abgeschliffene <strong>und</strong> schadhafte Stellenteile<br />

sollen ersetzt werden; neue Gedanken werden nur in beschränktem Masse im<br />

Rahmen der ‚Totalrevision’ verwirklicht.“ 5<br />

Vorbehalte in zweifacher Hinsicht müssen der Prognose des Verfassers angefügt<br />

werden. Der erste ist der „ceteris paribus“-Vorbehalt. Die Prognose basiert nur auf<br />

der Untersuchung von innovationsrelevanten Faktoren, die direkt von Parlament,<br />

Regierung oder Wahlen-Kommission kontrolliert wurden. Selbstverständlich gibt es<br />

weitere Faktoren, welche die <strong>Innovation</strong>schancen des Unternehmens beeinflussen<br />

könnten. Von ihnen wird angenommen, dass sie auf<br />

3 SB S. 533.<br />

4 Ein solches Vorgehen wurde im Kanton Aargau bereits durchexerziert. Am 4. Juni 1972 beschloss das<br />

Aargauervolk bei einer Stimmbeteiligung von 31,1 Prozent mit 46 756 Ja gegen 23 298 Nein die kantonale<br />

Verfassung einer Gesamterneuerung zu unterziehen. Die Werbekampagne für einen positiven<br />

Entscheid wurde mit Fr. 135 000.– vom Kanton <strong>und</strong> mit Fr. 20 000.- von der privaten Wirtschaft finanziert.<br />

Nach Darstellung der Neuen Zürcher Zeitung (5. 6. 1972, Nr. 257, S. 10) vermochten die Revisionsgegner<br />

ihre Argumente kaum ins breite Volk zu bringen <strong>und</strong> wurde die Szene „eindeutig dominiert<br />

von der staatlich finanzierten befürwortenden Propaganda“. Beim ganzen Unternehmen ist der Umstand<br />

beachtlich, dass die Befürworter der Totalrevision offenbar nur unbedeutende Reformpostulate<br />

verwirklichen wollen. Die Neue Zürcher Zeitung schreibt: „Selbst dem Patronatskomitee’ bereitet es,<br />

wie aus seiner Dokumentation’ zu schliessen ist, offensichtlich einige Mühe, reformerische Leitideen,<br />

die über mehr oder weniger bloss formalkosmetische Operationen hinausgehen, namhaft zu machen“<br />

(NZZ, 18. 4. 1972, Nr. 179, S. 23).<br />

5 Otto K. Kaufmann, „Vorarbeiten für eine Totalrevision der schweizerischen B<strong>und</strong>esverfassung“, in:<br />

Festschrift für Ernst Kolb, Innsbruck 1971, S. 123.

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