Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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einigen konnte (siehe unten Tabelle 6). Eine Mehrzahl der Eingaben hat ausdrücklich<br />
gegen die meisten dieser „radikalen“ Vorschläge Stellung bezogen. Im<br />
folgenden seien die genannten Vorschläge genauer abgegrenzt <strong>und</strong> die Gründe für<br />
ihre Auswahl aufgezeigt. Die Selektionsüberlegungen können in diesem Zusammenhang<br />
allerdings nur summarisch angegeben werden; spätere Abschnitte des<br />
Buches werden die theoretische Vertiefung einzelner Argumente nachholen.<br />
(1) Amtsstellenzwang<br />
Die Vernehmlassungen bringen verschiedene Vorschläge, wie die Handhabung<br />
direkt-demokratischer Institutionen erschwert werden könnte. Wichtigstes Postulat<br />
ist dabei die Erhöhung des Unterschriftenquorums bei Referendum <strong>und</strong> Initiative.<br />
Es wurde deshalb nicht als „radikal“ eingestuft, weil häufig das Ausmass der Erhöhung<br />
ungenannt blieb. Massige Quorumserhöhungen würden sich wahrscheinlich<br />
nur marginal auf das Funktionieren des politischen Systems auswirken, während<br />
Erhöhungen über bestimmte Schwellenwerte hinaus die Referendums- oder Initiativdrohung<br />
gewisser Gruppen entwerten würde. – Das Postualt des Amtsstellenzwangs<br />
ist deshalb „radikal“, weil es die Benützung direkt-demokratischer Institutionen<br />
ausserordentlich verteuern würde. Eine Organisation, die etwa das Referendum<br />
ergreifen will, muss eine bedeutend aufwendigere Werbung betreiben, um<br />
mehrere Zehntausend Bürger zum Gang auf eine Amtsstelle zu bewegen, als wenn<br />
die Unterschriften auf herkömmliche Weise gesammelt werden könnten. Der Amtsstellenzwang<br />
könnte Referendums<strong>und</strong> Initiativdrohungen selbst mächtigster Interessenorganisationen<br />
unglaubwürdig machen <strong>und</strong> darum Verhandlungsmuster <strong>und</strong><br />
-Strategien, aber auch Kräfterelationen im vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahren<br />
erheblich verändern. Der Vorschlag des Amtsstellenzwangs ist nicht sehr<br />
weit von jenem der gänzlichen Abschaffung der direkt-demokratischen Einrichtungen<br />
entfernt. Die Vernehmlassungen bringen zahlreiche andere Neuerungsvorschläge<br />
im Bereich der „direkten Demokratie“. Sie wurden alle (von gewissen unter<br />
die Kategorie „diverse Vorschläge“ einzuordnenden Ausnahmen abgesehen) nicht<br />
als radikal eingestuft. Zu ihnen gehört der Vorschlag, es sei die Gesetzesinitiative<br />
einzuführen. Da diese hauptsächlich als Entlastung der bereits bestehenden Verfassungsinitiative<br />
gedacht ist, würde sie den derzeitigen politischen Status quo<br />
kaum merklich tangieren. Schon heute können über die Verfassungsinitiative ähnliche<br />
Ziele verfolgt werden, wie sie die Gesetzesinitiative gestatten würde. Für den<br />
Amtsstellenzwang setzten sich drei Kantone <strong>und</strong> zwei Universitäten ein. 6 Lediglich<br />
die Stellungnahme der Universität Basel bot Interpretationsschwierigkeiten. Sie<br />
propagiert das Auflegen von Unterschriftenbogen auf den Gemeindekanzleien als<br />
Erleichterung des Referendums. Ob ein Amtsstellenzwang damit verb<strong>und</strong>en sein<br />
soll oder nicht, wird nicht gesagt. Das blosse Auflegen von Unterschriftenbogen auf<br />
den Gemeindeämtern, wobei die Unterschrift auch weiterhin auf herkömmliche<br />
Weise abgegeben werden kann, bedeutet weder für den Stimmbürger noch für den<br />
Organisator des Referendums eine nennenswerte Erleichterung, sondern schafft<br />
lediglich erhebliche administrative Umtriebe. Da Max Imboden, ein prominenter<br />
Vertreter der Universität Basel,<br />
6 AR 45, SG 73, TG 17; UZH 350 u. 374, UBS 348.