Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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box). Das einzige klar ersichtliche Kriterium für die Auswahl von Indikatoren scheint<br />
im (mehr oder weniger zufälligen)Vorhandensein von Zahlenmaterial zu bestehen.<br />
– Die Dye/Sharkansky-Kontroverse über den Vorrang von Wirtschaft oder Politik für<br />
die Erklärung von Systemleistungen dürfte kaum je einer empirischen Lösung zugänglich<br />
sein; Karl W. Deutsch bemerkte wohl zu Recht, dass die „ewigen Themen“<br />
(z. B. ob „der wirtschaftliche Unterbau“, „die protestantische Ehthik“, „die Verfassung“<br />
oder schlicht „die Geschichte“ letztlich determinierend für das politische Geschehen<br />
sei) empirisch nicht entscheidbar sind. „ 35<br />
Mehr der Kuriosität halber sei hier die einzige dem Verfasser bekannte Arbeit behavioristischer<br />
Ausrichtung erwähnt, welche sich direkt mit Merkmalen der Verfassungen<br />
von 48 amerikanischen B<strong>und</strong>esstaaten befasst. Lewis A. Forman 36 betrachtete<br />
folgende Zahlenreihen als seine „abhängigen“ Variablen: (1) Anzahl der Wörter in<br />
den Verfassungsurk<strong>und</strong>en; (2) durchschnittliche Anzahl der vorgeschlagenen Teilrevisionen<br />
pro Jahr; (3) durchschnittliche Anzahl der angenommenen Teilrevisionen<br />
pro Jahr; (4) Verhältnis von vorgeschlagenen zu angenommenen Teilrevisionen in<br />
Prozent. Als „unabhängige“ Variable erscheint „Stärke der Interessengruppen im<br />
Staat“. Diese Variable wurde operationalisiert, indem die US-B<strong>und</strong>esstaaten aufgr<strong>und</strong><br />
von Expertenurteilen in drei nach der Stärke ihrer Interessengruppen abgestufte<br />
Kategorien eingeteilt wurden (je eine Kategorie für Staaten mit „starken“,<br />
„mittelstarken“, bzw. „schwachen“ Interessengruppen). – Die Untersuchung gelangte<br />
unter anderem zum Schluss, dass die Verfassungsdokumente um so länger sind,<br />
je stärker die Interessengruppen im Staat sind. Es sei hier nicht auf die Verlässlichkeit<br />
der Resultate von Formans Untersuchung eingegangen, die zahlreiche Fehlerquellen<br />
aufweist <strong>und</strong> nur schwache Korrelationskoeffizienten hervorbrachte. Bemerkenswert<br />
ist jedoch, dass Forman, ohne ein Wort darüber zu verlieren, Merkmale<br />
von Verfassungen als „abhängige“, durch einen ausserkonstitutionellen Faktor zu<br />
erklärende Variablen betrachtet. Die andere Möglichkeit, dass nämlich die Verfassung<br />
einen aussenstehenden Faktor bestimmen könnte, wird gar nicht erst erwogen.<br />
In völliger Selbstverständlichkeit erscheint die Verfassung als determiniertes<br />
<strong>und</strong> nicht als determinierendes Element.<br />
d) Neoinstitutionalismus <strong>und</strong> Postbehaviorismus<br />
Einseitige Interpretationen politologischer Strömungen in den USA sollten tunlichst<br />
vermieden werden, weil der breite behavioristische „Regenschirm“ vielerlei Ansätze<br />
überdacht. So lässt sich in jüngster Zeit eine beginnende Renaissance des Institutioneninteresses<br />
nachweisen. Dies bedeutet nicht die Rückkehr zum klassischlegalistischen<br />
Institutionalismus, sondern es wird versucht, behaviorist-<br />
35 Karl W. Deutsch, „On Methodological Problems of Quantitative Research“, in: Mattei Dogan/Stein<br />
Rokkan (eds.), Quantitative Ecological Analysis in the Social Sciences, M.I.T. Press, Cambridge 1969,<br />
S. 29 f.<br />
36 Lewis A. Froman, „Some Effects of Interest Group Strength in State Politics“, APSR, Vol. 60, No. 4<br />
(Dezember 1966), S. 952-962. Der Artikel ist auch abgedruckt in: Charles F. Cnudde/Deane E. Neubauer<br />
(eds.). Empirical Democratic Theory, Markham, Chicago 1969 S. 370 ff.