Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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Techniken <strong>und</strong> Strategien präzisiert, aber auch die Techniken <strong>und</strong> Strategien nach<br />
Massgabe der konkretisierten Bedürfnisse weiterentwickelt werden. „Die Kommunikation<br />
darf nicht abbrechen, bis die Lösung des Problems gr<strong>und</strong>sätzlich gef<strong>und</strong>en<br />
ist, denn erst mit der prinzipiell absehbaren Lösung ist das Ziel des Projekts endgültig<br />
definiert.“ 23<br />
Die meisten Beratungstheoretiker sind sich einig, dass der Wissenschafter auch bei<br />
der Zielklärung mitwirken müsse. 24 Harold Lasswell nennt in seiner Liste der Denkweisen,<br />
mit denen der Wissenschafter legitimerweise einen Beitrag zur Verwirklichung<br />
politischer Ziele leisten kann, an erster Stelle das goal thinking. 25 Evron M.<br />
Kirkpatrick, der kürzlich einen praktischen Fall wissenschaftlicher Beratung von<br />
Verfassungspolitik in den USA kritisierte, hob unter Berufung auf Lasswell ausdrücklich<br />
Unzulänglichkeiten in der Zielklärung hervor. 26<br />
Im Falle der schweizerischen Verfassungsrevision setzten Regierung <strong>und</strong> Parlament<br />
ihrer Verfassungskommission überhaupt keine operationalisierten oder leicht<br />
operationalisierbaren Ziele vor, sondern lieferten nur Schlagworte <strong>und</strong> Leerformeln.<br />
Die Wahlen-Kommission ihrerseits befasste sich mit einer kaum übersehbaren<br />
Vielzahl von isolierten Detailzielen. Anstrengungen für die Ausarbeitung eines ü-<br />
bergeordneten Zielsystems oder alternativer Zielsysteme lassen sich kaum nachweisen.<br />
Die Auswirkungen dieses Verzichts auf Zielklärung wurden im ersten Teil<br />
dieses Buches beschrieben.<br />
(4) Entwurf von Alternativen<br />
Nicht nur jene Beratungstheoretiker, die sich an das pragmatische Modell anlehnen,<br />
sondern auch jene des dezisionistischen Modells stimmen darin überein, dass der<br />
Politikberater Handlungsalternativen entwerfen müsse. Eigentlich nur im technokratischen<br />
Modell glaubt der Experte, alle relevanten Sachzwänge zu kennen <strong>und</strong><br />
damit den „einen besten Weg“ dem Politiker zur (nur noch formellen) Ratifikation<br />
vorlegen zu können. – Nach Daniel Frei besteht das Wesen der Politikberatung<br />
gerade in der „systematischen <strong>und</strong> rationalen Vorbereitung von Alternativen für<br />
Entscheidungen über politische Ziele <strong>und</strong> der darauf ausgerichteten Programme<br />
<strong>und</strong> Massnahmen“. 27 Die Kontroverse beginnt wohl erst bei der Frage, ob das Konstruieren<br />
von Alternativen auch im Hinblick auf relativ umfassende <strong>und</strong> damit komplexe<br />
Ziele als legitime Aufgabe des Wissenschafters angesehen werden soll. Prominente<br />
Autoren sprechen sich dafür aus, beispielsweise David Easton:<br />
23 Habermas, op. cit., S. 132.<br />
24 Siehe etwa: Frei, op. cit., S. 58; Lompe, op, cit., S. 119 ff; Gerhard Kade/Werner Meissner, „Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Politik als kybernetisches System“, in: Maier et al., op. cit., S. 278 ff.<br />
25 Lasswell unterschied wenigstens fünf mögliche Beiträge, die der Wissenschafter leisten könne: 1.goal<br />
thinking (Bestimmung <strong>und</strong> Klärung von Zielen), 2. derivational thinking (Begründung von Zielen durch<br />
übergeordnete Werte <strong>und</strong> Prinzipien), 3. trend thinking (Einordnung von Gesellschaftsproblemen in den<br />
sich entfaltenden Lauf der Ereignisse), 4. scientific thinking (Formulierung von Verallgemeinerungen<br />
über die Beziehung bedeutungsvoller Variablen), 5. developmental or projective thinking (Spekulieren<br />
über die Zukunft, Ausarbeitung von Alternativen <strong>und</strong> Schätzung ihrer Konsequenzen). Siehe: Harold D.<br />
Lasswell, Power and Personality, The Viking Press, New York 1963 (1. Auflage 1948), S. 201-205.<br />
26 Evron M. Kirkpatrick, „‘Toward A More Responsible Two-Party System’: Political Science, Policy Science,<br />
or Pseudo-Science „,APSR, Vol. 65, No. 4, Dezember 1971, S. 986 f.<br />
27 Frei, op cit., S. 57.