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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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organisierbar <strong>und</strong> dürften daher in einem System des Interessengruppen-Liberalismus<br />

systematisch benachteiligt sein.<br />

(4) Der schweizerische Föderalismus funktioniert als Einbahnstrasse der Zentralisierung:<br />

Wegen der extremen Grössenunterschiede der Kantone <strong>und</strong> Gemeinden<br />

müssen dem B<strong>und</strong> stets neue Kompetenzen zugeschoben werden. In der gegenwärtigen<br />

Föderalismusdebatte sind kaum brauchbare Vorschläge nachweisbar, wie<br />

<strong>und</strong> welche Zuständigkeiten den Kantonen neu übertragen werden könnten. Auch<br />

der sogenannte Vollzugsföderalismus, der dem B<strong>und</strong> die Normsetzung vorbehält<br />

<strong>und</strong> den Kantonen den Vollzug überträgt, gerät zusehends mehr in Schwierigkeiten.<br />

Im April 1973 fanden sich die Ostschweizer Kantonsregierungen zu einem gemeinsamen<br />

Protest gegen das Überhandnehmen des Vollzugsföderalismus, der die<br />

Kapazitäten vieler Kantone überfordere. 44 – Vom bipolaren Modell kann nicht erwartet<br />

werden, dass es den Zentralisierungstrend abzubremsen oder gar zu stoppen<br />

vermag. Vielleicht ist es aber möglich, dass unter dem neuen System grössere<br />

Klarheit, Transparenz <strong>und</strong> Funktionalität in die Aufgabenverteilung zwischen B<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> Kantonen ge - bracht werden kann. Die Umgestaltung von Artikel 3 der B<strong>und</strong>esverfassung<br />

würde rechtliche Hemmnisse für die Verwirklichung dieses Zieles beseitigen.<br />

Eine gestärkte <strong>und</strong> handlungsfähigere Zentralregierung, wie das Modell es<br />

vorsieht, könnte wahrscheinlich in diesem Bereich Reformen durchsetzen, die heute<br />

als <strong>und</strong>enkbar erscheinen.<br />

(5) Wer die Substanz des Föderalismus im integralen Bikameralismus <strong>und</strong> in einer<br />

bestimmten Kompetenzverteilungsregel, nämlich in jener des jetzigen Artikel 3 BV,<br />

sieht, der muss das bipolare Modell als föderalismusfeindlich verwerfen. Ein weniger<br />

formalistisches Föderalismusverständnis dagegen wird den Akzent eher auf<br />

eine wirksame Dezentralisierung von Staatsaufgaben <strong>und</strong> auf eine vernünftige<br />

Autonomie der nachgeordneten Gebietskörperschaften legen. Beides setzt aber<br />

voraus, dass die dezentralisierten Einheiten nicht nur in ihrer formalrechtlichen<br />

Struktur, sondern auch in ihrer Bevölkerung <strong>und</strong> ihren wirtschaftlichen Ressourcen<br />

nicht allzu ungleich sind. Die schweizerischen Kantone waren stets ungleich, der<br />

derzeitige Föderalismus hat es jedoch zugelassen, dass sie noch ungleicher geworden<br />

sind. Gaston Gaudard weist nach, dass die Disparität zwischen den Kantonen<br />

in der Zeit von 1950 bis 1968 hinsichtlich wichtiger Indikatoren zugenommen<br />

hat, zum Beispiel hinsichtlich der Wohnbevölkerung, der an Ort aktiven Bevölkerung,<br />

der ausländischen Arbeitskräfte, des Sozialprodukts, der kantonalen Fiskaleinnahmen<br />

sowie der Fiskaleinnahmen pro Kopf. Gemäss dieser Studie haben sich<br />

die schwachen Kantone in der genannten Zeitspanne mehr verschuldet als die<br />

stärkeren. Anderseits ist die Disparität der kantonalen Beiträge an die B<strong>und</strong>eskasse<br />

erheblich zurückgegangen, was der Idee eines Finanzausgleichs gerade zuwiderläuft.<br />

45 – Trotz der Existenz eines mit der Volkskammer gleichberechtigten; angeblich<br />

so födera-<br />

44 St. Galler Tagblatt, 12.4.1973, S. 1; Ostschweizer AZ, 4./5.5.1973, S. 1. Am 22.8.73 diskutierte der<br />

B<strong>und</strong>esrat die „Überforderung“ der Kantone durch Vollzugsaufgaben des B<strong>und</strong>es: NZZ, Nr. 389,<br />

23.8.73, S. 13.<br />

45 Gaston Gaudard, Les disparités economiqués régionales en Suisse, Fribourg 1973, S. 64 f.

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