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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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darum „an der Klippe des Volkswillens scheitern“, weil „das Fuder überladen“ ist.<br />

Das referendumspolitische Vokabular kennt keinen Ausdruck für den Fall, dass das<br />

Volk mehr als die vorgeschlagene Neuerung wünscht.<br />

Konkrete Bargaining-Prozesse sind selbstverständlich komplizierter, als es die<br />

vorgelegte Spieltheorie vermuten liesse. Immerhin legt sie folgende Thesen nahe:<br />

(a) Legislatorische <strong>Innovation</strong>sprozesse werden erst aufgenommen, wenn von den<br />

direktinteressierten referendumsfähigen Verbänden auch der konservativste den<br />

Status quo nicht mehr integraliter beibehalten will. 6 (b) Kompromisse pendeln sich in<br />

der Nähe des Standpunktes ein, den der konservativste Verhandlungspartner einnimmt.<br />

Mit andern Worten, das Referendum erlaubt <strong>Innovation</strong> nur in dem Ausmass,<br />

als Einstimmigkeit unter den direktinteressierten referendumsfähigen Verbänden<br />

erzielt werden kann; jeder besitzt ein Vetorecht. In diesem Licht erscheint<br />

die schweizerische „Konkordanz“-Politik als wesentlich durch das Referendum<br />

bedingt. – Das spärliche empirische Material, das bis jetzt über das vorparlamentarische<br />

Gesetzgebungsverfahren vorliegt, scheint die beiden Thesen, die wir aus<br />

unserer Referendumstheorie ableiteten, eher zu stützen als zu erschüttern. 7<br />

Der von kaum jemandem bestrittenen Feststellung über die retardierende Wirkung<br />

des fakultativen Referendums wird entgegengehalten, dass als Gegengewicht die<br />

Verfassungsinitiative einen akzelerierenden Effekt besitze. Die Bremse des Referendums<br />

werde durch den Motor der Initiative aufgewogen. Diese Gleichgewichtstheorie<br />

ist nicht haltbar.<br />

Bereits wurde darauf hingewiesen, dass Initiativbegehren, sofern sie überhaupt vor<br />

das Volk kommen <strong>und</strong> nicht vorzeitig zurückgezogen werden, mit grosser Regelmässigkeit<br />

verworfen werden. Mit einer Volksinitiative zu drohen, ist also nicht ein<br />

sehr wirksames Druckmittel. – Richtig ist zwar, dass auch zurückgezogene oder<br />

verworfene Initiativen die B<strong>und</strong>esbehörden gelegentlich zu Neuerungen veranlassen.<br />

Wie diese von Initiativen stammenden Impulse ins Gewicht fallen, ist mangels<br />

genügender Untersuchungen schwer abzuschätzen. Es muss jedoch mit der Möglichkeit<br />

gerechnet werden, dass die B<strong>und</strong>esbehörden in einem bestimmten Sachbereich<br />

mit Reformen zuwarten, bis das Ritual einer oder mehrerer gescheiterter Initiativen<br />

über die Bühne gegangen ist. In solchen Fällen wäre die Neuerungskraft der<br />

Initiative zweifelhaft; denn die blosse Existenz der Institution könnte gegebenenfalls<br />

einen Vorwand zum Zuwarten bieten.<br />

Aus der Natur der Verfassungsinitiative muss geschlossen werden, dass sie als<br />

innovatorisches Gegengewicht gegen das Referendum nicht aufkommen kann.<br />

Dass für ein Initiativbegehren mehr Unterschriften nötig sind (50 000) als für ein<br />

Referendum, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Wesentlich ist jedoch, dass mit<br />

der Initiative nur punktuelle Neuerungen erreicht werden können (Gr<strong>und</strong>satz von<br />

der „Einheit der Materie“ – Artikel 121 Abs. 3 der B<strong>und</strong>esverfassung), während mit<br />

der Referendumsdrohung, ohne dass es auch nur zu einer Volksabstimmung kommen<br />

muss, ganze Programme zu Fall gebracht oder verwässert werden können. –<br />

Schliesslich kann die Initiative in ähnlicher Weise<br />

6 Vgl. Beobachtungssatz 82 von Jürg Steiner, zitiert oben S. 83.<br />

7 Siehe oben Seite 72 ff. <strong>und</strong> insbesondere die Literaturangaben in Note 109.

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