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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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- zwischen direkt Interessierten <strong>und</strong> <strong>Innovation</strong>sexperten<br />

- zwischen Informations- <strong>und</strong> <strong>Innovation</strong>sexperten. 30<br />

Einzig der B<strong>und</strong>esrat steht nach Steiner „ausserhalb des in der Schweiz weit verzweigten<br />

Systems von Rollenkumulationen“. 31 Wenn es richtig ist, dass das politische<br />

Kommunikationssystem in starkem Masse auf Rollenkumulationen beruht, so<br />

wäre das Abseitsstehen der Regierung ein weiteres Indiz für ihre relative Machtlosigkeit.<br />

Im Gegensatz zu den meisten Industrienationen nehmen schweizerische<br />

Regierungsmitglieder keine Funktionen in politischen Parteien wahr, sondern bemühen<br />

sich um ein Image der „Überparteilichkeit“. – Präzisierend muss immerhin<br />

beigefügt werden, dass auch B<strong>und</strong>esräte insofern Rollen kumulieren, als sie gleichzeitig<br />

Repräsentations-, Regierungs- <strong>und</strong> vor allem Verwaltungsfunktionen wahrnehmen<br />

müssen. Die Regierungsfunktion konnte sich bei diesem System allerdings<br />

nur schwach ausdifferenzieren.<br />

Ein Kommunikationssystem, das sich in erheblichem Ausmass auf Rollenkumulation<br />

abstützt, hat den Vorteil – wie Steiner richtig bemerkt -, dass die Informationskanäle<br />

kurz sind <strong>und</strong> gewisse Informationen sehr schnell zirkulieren können.<br />

Wir vermuten aber, dass gehäufte Rollenkumulationen äusserst wirksame<br />

Filter schaffen, welche erhebliche Informationsmengen aus dem Netz heraushalten.<br />

Überschreitet die Informationsmenge einen bestimmten Schwellenwert, so kann sie<br />

in diesem System gar nicht mehr verarbeitet werden. Obwohl sehr kurz, sind die<br />

Informationskanäle doch wenig leistungsfähig. Diese These lässt sich wie folgt<br />

plausibel machen.<br />

Die Akteure, welche die staatlichen Entscheidungsprozesse auf B<strong>und</strong>esebene in<br />

Gang halten, sind einer wachsenden Arbeitsbelastung ausgesetzt <strong>und</strong> stehen unter<br />

chronischem Zeitdruck. Die Forderung, dass B<strong>und</strong>esräte <strong>und</strong> Parlamentarier der<br />

„Entlastung“ bedürfen, ist zum dauernden <strong>und</strong> allgemeinen Stereotyp geworden.<br />

Doch auch die Funktionäre der Spitzenverbände, die an allen wichtigen Entscheidungsprozessen<br />

teilnehmen müssen, sind der gleichen Überbelastung ausgesetzt.<br />

Die Rollenkumulationen abzubauen, um damit die Belastung zu lindern, scheint<br />

wegen der bereits beschriebenen institutionellen Zwänge nicht möglich zu sein. –<br />

Nicht nur die Überbelastung der massgeblichen Akteure, sondern auch psychologische<br />

Umstände bewirken, dass Informationsströme aus dem Netz herausgehalten<br />

werden. Die langjährigen <strong>und</strong> häufigen persönlichen Kontakte zwischen den Akteuren<br />

verstärken Erwartungsmuster, die als Filter gegenüber neuen Informationen<br />

<strong>und</strong> Informationenkombinationen wirken: Die Norm des „gütlichen Einvernehmens“<br />

besitzt Vorrangigkeit. Konfrontation <strong>und</strong> Konflikte werden als störend, als zusätzliche<br />

Belastung, als unanständig perzipiert. Akteure, welche die Norm des Konsensualismus<br />

nicht respektieren, sind – wie Steiner beobachtete – der Sanktion der<br />

„Kaltstellung“ ausgesetzt. 32 Die Kriterien, welche die Zulassung zu der Gruppe von<br />

Akteuren regulieren, die durch Kumulation wichtiger Rollen erheblichen Einfluss<br />

auszuüben vermögen, scheinen einseitige Begabungen zu fördern: Verhandlungsgeschick,<br />

Organisationstalent, Redegewandtheit, Geselligkeit. Mehr analytische<br />

Begabungen, etwa jene, neue Informationen absorbieren oder Informationen neu<br />

kombinieren zu können, dürften eher benachteiligt sein.<br />

30 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 289.<br />

31 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 143.<br />

32 Steiner, Gewaltlose Politik (op, cit.), S. 109, 126 (Beobachtungssätze 38 <strong>und</strong> 39)

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