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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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unserem machttheoretischen Ansatz zusätzliche Aspekte des schweizerischen<br />

Regierungssystems aufzuhellen. 23 Diese Ergänzung eines machttheoretischen<br />

Ansatzes durch einen informationstheoretisch-kybernetischen lässt sich insofern<br />

verantworten, als Macht <strong>und</strong> Kontrolle von Informationsflüssen häufig nur zwei<br />

verschiedene Aspekte des gleichen Phänomens sind.<br />

(1) Rollenkumulation <strong>und</strong> Lernfähigkeit des Systems<br />

Um die zahlreichen Blockierungsmechanismen zu überspielen <strong>und</strong> wenigstens<br />

minimale Anpassungen an neu entstandene Situationen zu gewährleisten, ist das<br />

politische System der Schweiz auf folgende Einrichtungen angewiesen: engen<br />

persönlichen Kontakt zwischen privaten <strong>und</strong> staatlichen Eliten, häufige Rollenkumulation,<br />

langes Verbleiben der politischen Akteure in ihrem Amt <strong>und</strong> Abschirmung<br />

der Entscheidungsprozesse von der Öffentlichkeit. 24 Erst dieses Kontaktsystem<br />

erlaubt es den politischen Akteuren, zwischen verschiedenen Sachfragen<br />

Junktims herzustellen, durch welche Konzessionen im einen Entscheidungsprozess<br />

Kompensation im andern finden können. 25<br />

Zu den Rollenkumulationen führt Jürg Steiner aus, dass sie „gewissermassen die<br />

Schaltstationen bilden, durch welche der Kommunikationsfluss zwischen den Eliten<br />

der verschiedenen Subkulturen aufrechterhalten bleibt“. 26 – Auch Neidhart weist auf<br />

die Bedeutung der Rollenkumulation hin:<br />

„Da die Spitzenorganisationen in der Regel in allen wichtigen Kommissionen<br />

vertreten sind, führt dieser Kommissionalismus zu Vielfachmitgliedschaften der<br />

Spitzenfunktionäre, die immer eine Gefahr der Begünstigung der etablierten Interesse<br />

in sich bergen.“ 27<br />

Unsere Untersuchung über die Wahlen-Kommission stiess ebenfalls auf sehr ausgeprägte<br />

Formen von Rollenkumulation. 28 Selbst das Regierungsprogramm 1971–<br />

75 geht auf Rollenkumulation <strong>und</strong> Oligarchisierung ein; es spricht von „der weitverbreiteten<br />

Befürchtung, die Gr<strong>und</strong>satzfragen würden in kleinen Fachgremien oder<br />

unter dem Einfluss von Interessenverbänden entschieden“. 29 Jürg Steiner beobachtete<br />

Rollenkumulationen besonders häufig<br />

- zwischen den verschiedenen intermediären Gruppen, also zwischen politischen<br />

Parteien, Wirtschaftsverbänden, Vereinen <strong>und</strong> Zeitungen<br />

- innerhalb der einzelnen politischen Parteien zwischen Experten- <strong>und</strong> Generalistengruppen<br />

<strong>und</strong> zwischen den verschiedenen Parteistufen<br />

- zwischen den Führungsgruppen der intermediären Gruppen <strong>und</strong> den formellen<br />

Entscheidungsträgern des Systems<br />

- zwischen direkt Interessierten <strong>und</strong> Parlamentariern<br />

- zwischen direkt Interessierten <strong>und</strong> Informationsexperten<br />

23 Damit folgen wir in etwa einem Vorschlag von Naschold, op. cit., S. 166.<br />

24 Jürg Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), geht in seinen Beobachtungssätzen <strong>und</strong> Hypothesen auf<br />

diese Gegebenheiten ein <strong>und</strong> bringt empirisches Material bei. Zur Rollenkumulation: Beobachtungssätze<br />

20, 37, 40, 50, 57, 65, 74, 90, 94, 97, 99; Hypothese 5. – Zum langen Verbleiben im Amt: Beobachtungssatz<br />

37; Hypothese 21. – Zur Abschirmung vor der Öffentlichkeit: Beobachtungssätze 38, 75,<br />

76, 89, 91, 115; Hypothese 17.<br />

25 Über Junktims in der schweizerischen Politik siehe Schumann, op. cit., S. 137, 196. 26 Steiner, Gewaltlose<br />

Politik (op. cit.l, S. 290.<br />

26 Steiner, Gewaltlose Politik (op. cit.), S. 290.<br />

27 Neidhart, Plebiszit (op. cit.), S. 318. 28 Siehe oben Seite 80 ff.<br />

28 Siehe oben Seite 80 ff.<br />

29 Richtlinien 1971–75 (op. cit.), S. 50.

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