11.01.2015 Aufrufe

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

125<br />

wirksam zu machen sind. – Praktisch muss sich eine gestrenge neopositivistische<br />

Politologie jedoch aus einer Verfassungsdiskussion heraushalten, <strong>und</strong> dies ausfolgenden<br />

Gründen.<br />

(1) Gesichertes nomologisches Wissen über das Funktionieren von staatlichen<br />

Institutionen oder Institutionenkombinationen ist zurzeit nicht oder äusserst spärlich<br />

vorhanden. Die Produktion dieses Wissens würde, wenn überhaupt möglich, sehr<br />

lange Zeit in Anspruch nehmen. Ein neopositivistischer Verfassungsberater müsste<br />

wie der Jurist Kurt Eichenberger erklären, dass „der Motor der Totalrevision verfrüht<br />

angekurbelt“ worden sei. 13<br />

(2) Die Bereitstellung des für eine Totalrevision erforderlichen nomologischen Wissens<br />

würde wahrscheinlich auf unüberwindliche praktische Schwierigkeiten stossen.<br />

Um bei der Analyse gewisse Faktoren konstant halten zu können, was unerlässlich<br />

wäre, müsste die Zahl der zu vergleichenden Länder sehr klein gehalten<br />

werden. So könnten, um brauchbares Wissen für die Schweiz zu erhalten, sinnvollerweise<br />

nur „hochindustrialisierte Kleinstaaten der Gegenwart“ in die Untersuchung<br />

einbezogen werden. Dies aber würde die Zahl der Falsifikationsmöglichkeiten in<br />

einer Weise reduzieren, dass die Chance auf „gesichertes Wissen“ zerrönne.<br />

(3) In praktischer Konsequenz führt das genannte Wissenschaftsverständnis zu<br />

einer Bevorzugung übersichtlicher, isolierter Detailfragen in der Forschung, da die<br />

Untersuchung von Gegenständen mit hohem Komplexitätsgrad generell auf beinahe<br />

unüberwindliche technische Schwierigkeiten stösst. Gesichertes nomologisches<br />

Wissen, das beispielsweise für eine globale <strong>Verfassungsreform</strong> verwertbar wäre,<br />

die über eine blosse „staatsrechtliche Detailpflege“ hinausgehen will, lässt sich<br />

praktisch nicht produzieren. Die analytische Wissenschaftstheorie hat daher eine<br />

ausgesprochene Affinität zur „Stückwerktechnologie“ im Bereich des Sozialen, <strong>und</strong><br />

die Neigung vieler Neopositivisten ist verständlich, globale Reformen überhaupt als<br />

verwerflich einzuschätzen. Karl R. Popper verteidigt das, was er „die von Fall zu<br />

Fall angewendete Sozialtechnik, die Sozialtechnik der Einzelprobleme, die Technik<br />

des schrittweisen Umbaus der Gesellschaftsordnung oder die Ad-hoc-Technik“<br />

nennt, in folgender Weise:<br />

„Das soziale Leben ist so kompliziert, dass nur wenige Menschen oder überhaupt<br />

niemand fähig ist, den Wert eines Bauplans für soziale Massnahmen im<br />

grossen Massstab richtig einzuschätzen; ob er praktisch ist; ob er zu einer wirklichen<br />

Verbesserung führen kann; welche Leiden aller Wahrscheinlichkeit nach<br />

mit ihm verb<strong>und</strong>en sein werden <strong>und</strong> welche Mittel zu seiner Verwirklichung führen.<br />

Im Gegensatz dazu sind Pläne für einen schrittweisen Umbau der Gesellschaftsordnung<br />

relativ einfach zu beurteilen. Es sind dies ja Pläne für einzelne<br />

Institutionen, zum Beispiel für die Kranken- oder Arbeitslosenversicherung, für<br />

Schiedsgerichte, für Budgetvoranschläge zur Bekämpfung von Depressionen<br />

oder für Erziehungsreform. Wenn sie fehlschlagen, dann ist der Schaden nicht<br />

allzu gross <strong>und</strong> eine Wiederherstellung oder Ajustierung nicht allzu schwierig.<br />

Derartige Entwürfe sind weniger riskant <strong>und</strong> gerade aus diesem Gr<strong>und</strong>e weniger<br />

umstritten. Wenn sich aber eine Einigung in bezug auf die bestehenden Ü-<br />

bel <strong>und</strong> die Mittel zu ihrer Bekämpfung leichter erreichen lässt als eine Einigung<br />

über ein ideales Gut <strong>und</strong> über die Mittel zu<br />

13 Siehe oben, 1. Teil, S. 79.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!