Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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wie das Referendum als Vetoinstrument benützt werden. Es scheint, dass konservative<br />
Kräfte die Initiative wirksamer zur Unterstützung ihrer Postualte einzusetzen<br />
vermögen als neuerungsorientierte. Die gescheiterte Bodenrechtsinitiative<br />
der Sozialdemokraten hatte eine weniger nachhaltige Wirkung als die gescheiterte<br />
Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach.<br />
In seiner Untersuchung über das Verhältnis zwischen direkter Demokratie <strong>und</strong><br />
Wirtschaftsordnung kommt Rudolf Rohr zum Schluss, „dass die Belange einer freiheitlichen<br />
Wirtschaftsordnung weit besser als in der repräsentativen in der direkten<br />
Demokratie aufgehoben sind.“ 8 Wir stimmen mit diesem Urteil überein, nur würden<br />
wir anders formulieren: Die direktdemokratischen Institutionen auf B<strong>und</strong>esebene<br />
gewährleisten nondecision making im sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bereich besser<br />
als ein repräsentatives System.<br />
(2) Regierungsorganisation<br />
Die Organisation des schweizerischen B<strong>und</strong>esrates ist auf Paralyse der Regierungstätigkeit,<br />
auf gouvernementales nondecision making angelegt. Die wichtigsten<br />
Elemente dieses Sachverhaltes seien hier nochmals aufgezählt: permanente Grosse<br />
Koalition, die zu einer sehr hererogenen Zusammensetzung der Regierung führt;<br />
Unmöglichkeit des B<strong>und</strong>esrates, für ein Regierungsprogramm eine demokratische<br />
Legitimierung einzuholen; Nichthierarchisierung der Regierung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enes<br />
„zersplitterndes Departementaldenken“ <strong>und</strong> „departementale Hauspolitik in<br />
siebenfacher Ausfertigung“. – Die Expertenkommission Huber verteidigte das „Kollegialitätsprinzip“<br />
ausdrücklich mit dem Argument, dass es die wechselseitige Kontrolle<br />
der Regierungsmitglieder erlaube.<br />
„Das Kollegium ... hat auch einen machthemmenden oder nötigenfalls machtbrechenden<br />
Sinn. Jeglicher Gestalt von Einherrschaft, der die schweizerische<br />
Auffassung abgeneigt ist, wird vorgebaut. Wie das Kollegium die zersplitterten<br />
<strong>und</strong> zersplitternden Kräfte zusammenführt, so soll es auch Machtkonzentrationen,<br />
die etwa in der Institution des stark abgehobenen Präsidenten entstehen<br />
könnten, verhindern. Die Mitglieder des Kollegiums sollen sich nach dieser Vorstellung<br />
gegenseitig in Schach halten, Überbordungen auf das Mass zurückführen.“<br />
9<br />
Die institutionellen Vorkehrungen, mit denen andere westliche Demokratien auf<br />
eine gewisse Geschlossenheit <strong>und</strong> Einheitlichkeit der Regierung hinwirken (wie<br />
zum Beispiel Wahlmodus, Koalitionsvertrag, Programm, Hierarchie, parlamentarische<br />
Verantwortlichkeit) fehlen im schweizerischen System. Für eine minimale<br />
Kohärenz ist die schweizerische Regierung ausschliesslich auf den informellen <strong>und</strong><br />
unkontrollierbaren Sozialisationsprozess angewiesen, dem die Träger der B<strong>und</strong>esratsrollen<br />
unterliegen <strong>und</strong> der durch das relativ lange Verbleiben der Minister im<br />
Amt verstärkt wird. – Die früher gültige Norm, wonach der B<strong>und</strong>esrat mindestens<br />
gegenüber der Öffentlichkeit als Einheit auftreten sollte, scheint an Verbindlichkeit<br />
verloren zu haben. In jüngster Zeit haben<br />
8 Rudolf Rohr, „Direkte Demokratie <strong>und</strong> Wirtschaftsordnung“, Schweizer Monatshefte, 45. Bd., 1965/66,<br />
S. 774.<br />
9 Huber-Bericht, S. 89 f.