11.01.2015 Aufrufe

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

219<br />

ganze Stil der „Konkordanzpolitik“ weisen darauf hin, dass wir es vielmehr mit einer<br />

unimodalen Meinungsverteilung zu tun haben. Zweiparteienkonkurrenz führt in der<br />

Schweiz nicht zu einer gefährlichen Verschärfung bestimmter Konflikte, sondern ist<br />

eher dem Risiko ausgesetzt, dass sich die beiden Parteien zu sehr angleichen <strong>und</strong><br />

damit dem Wähler die sinnvolle Auswahlmöglichkeit nehmen. Dagegen ist mit einem<br />

grosszügigen Ausbau parteiinterner Demokratie anzukämpfen.<br />

(2) Die Befürchtung, dass im neuen System die Mentalität des „gütlichen Einvernehmens“,<br />

des geduldigen Aushandelns von Kompromissformein, kurzum die<br />

„Verhandlungsdemokratie“ gänzlich abgelöst werde durch Konfrontationsstrategien<br />

<strong>und</strong> die brutale Anwendung des Mehrheitsprinzips, ist nicht berechtigt. Erspriessliche<br />

Verhandlungen zwischen Sozialpartnern sowie Konsultationsverfahren, die es<br />

privaten Organisationen ermöglichen, auf Gesetzgebung <strong>und</strong> Verwaltung Einfluss<br />

zu nehmen, sind keineswegs an ein Institutionengefüge geb<strong>und</strong>en, wie wir es in der<br />

Schweiz zurzeit besitzen. Praktisch alle westlichen Industrienationen kennen diese<br />

Einrichtungen, auch jene, die in ihrer politischen Struktur dem bipolaren Modell<br />

nahekommen. Hancock hebt die grosse Bedeutung der „Königlichen Kommissionen“<br />

<strong>und</strong> des Remiss-Verfahrens für die Verbandspolitik in Schweden hervor; die<br />

informellen Gespräche des früheren Premierministers Erlander mit Wirtschaftsführern<br />

führte zur Debatte über die „Harps<strong>und</strong>-Demokratie“, der man korporatistische<br />

Züge vorwarf. 52 – Auch in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sind die Kanäle für die<br />

Einflussnahme der Verbände auf den Regierungsprozess wohlentwickelt; Ministerien<br />

sind laut Geschäftsordnung gehalten, die Vertreter der Spitzenverbände zu<br />

hören. 53 – Das Bargaining zwischen staatlichen Stellen <strong>und</strong> Wirtschaftsverbänden<br />

ist ein zentrales Phänomen auch der britischen Politik. Der Vorwurf, die Regierung<br />

habe vor einer Entscheidung die zuständigen Interessenorganisationen nicht genügend<br />

konsultiert, gilt als schwerwiegend <strong>und</strong> kann selten erhoben werden. Die<br />

„funktionelle Repräsentation“ geschieht hauptsächlich über Advisory Committees,<br />

welche sich die verschiedenen Regierungsstellen zulegen <strong>und</strong> von denen 1958<br />

r<strong>und</strong> 850 bestanden. Samuel Beer spricht von „Quasi-Korporatismus“, der „intime<br />

<strong>und</strong> dauernde Beziehungen“ zwischen Regierung <strong>und</strong> Verbänden herstelle. 54<br />

(3) Die bisherigen Ausführungen legen nahe, dass das bipolare System politische<br />

Stabilität ebenso gut oder besser gewährleisten kann wie das derzeitige. Im Regelfall<br />

erteilt die Wählerschaft einer einzigen Partei das Regierungsmandat – langwierige<br />

Koalitionsverhandlungen erübrigen sich dabei – <strong>und</strong> die Regierungspartei bleibt<br />

während wenigstens einer Legislaturperiode an der Macht. (Nuancierungen sind<br />

anzubringen; falls die neue Verfassung ein konstruktives Misstrauensvotum oder<br />

die Möglichkeit der vorzeitigen Parlamentsauflösung vorsehen würde.) Die Möglichkeit<br />

des Machtwechsels schafft ein<br />

52 Hancock, op. cit., S. 156–162.<br />

53 Sontheimer, op.cit., S. 125.<br />

54 Samuel H. Beer, British Politics in the Collectivist Age, Vintage Books/Random House, New York 1969,<br />

S. 78, 337, 421, siehe besonders das Kapitel über „The New Group Politics“, S. 318–351.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!