Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
95<br />
der Universität Basel vorbrachte, in der Eichenberger mitwirkte. 7 Gr<strong>und</strong>sätzlich hielt<br />
sich die Kommission nicht an die im Fragenkatalog gezogene Themaabgrenzungslinie.<br />
Ausdrücklich stellte Louis Guisan seinen Ausführungen über die<br />
ständigen Parlamentskommissionen die Bemerkung voran, dass dieses Problem im<br />
Fragenkatalog nicht erwähnt <strong>und</strong> von den Vernehmlassungen in der Regel nicht<br />
behandelt worden sei. 8 Bei sechs weiteren Themenkreisen wies er ebenfalls auf<br />
das Fehlen einer einschlägigen Frage im Katalog hin. 9 Alle Referenten führten –<br />
teilweise in sehr erheblichem Umfang – neue Themen ein, die der Fragenkatalog<br />
nicht ausdrücklich zur Debatte gestellt hatte. Das Referat von Josy Meier enthält<br />
Abschnitte über „die Rolle der Parteien“ <strong>und</strong> den „Übergang zum parlamentarischen<br />
System“. 10 Das Kapitel „Allgemeine Gr<strong>und</strong>sätze über Behörden“ im Referat<br />
von Harald Huber diskutiert weitgehend Themen, die nicht der Vernehmlassung<br />
unterlagen. 11 Das gleiche gilt vom Kapitel „Sicherung der b<strong>und</strong>esstaatlichen Ordnung“<br />
im Referat von Hans Stadler. 12 Über Notstandsrecht wurden die Katalogadressaten<br />
nicht befragt; trotzdem erörterte Alessandro Crespi dieses Thema ausführlich.<br />
13 Hans Huber schliess-lich verfasste ein 149 Druckseiten starkes Kompendium<br />
über die Menschenrechte, das zahlreiche Gebiete der Jurisprudenz beschlägt<br />
<strong>und</strong> weit über das hinausgeht, was im Fragenkatalog angesprochen war. Hans<br />
Huber kritisierte übrigens an mindestens drei Stellen, dass einzelne Katalogfragen,<br />
die sein Gebiet betreffen, „vielleicht nicht genau“, „zu wenig detailliert“ oder „zu<br />
beschränkt <strong>und</strong> etwas missverständlich“ waren. 14<br />
Die Wahlen-Kommission weitete also den bereits überlasteten Themenkreis, den<br />
der Fragenkatalog absteckte, nochmals aus. Damit verbaute sie endgültig die Möglichkeit,<br />
dass selbst ein vollprofessionalisiertes Parlament (vom derzeitigen Milizparlament<br />
ganz zu schweigen) die Aufgabe einer Totalrevision innert nützlicher<br />
Frist <strong>und</strong> mit der nötigen Gründlichkeit neben seinen übrigen Pflichten zu bewältigen<br />
vermag. Diese Einsicht findet sich auch im Referat von Alessandro Crespi:<br />
„Bei der Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung handelt es sich um ein derart komplexes<br />
<strong>und</strong> weitreichendes Unterfangen, dass es schwerlich dem Parlament aufgetragen<br />
werden kann. Einmal ist dieses mit Tätigkeiten der verschiedensten Art<br />
ausserordentlich stark belastet, was die Durchführung einer gründlichen <strong>und</strong> tiefgreifenden<br />
Revisionsarbeit hindern würde. Zum zweiten könnte man daran zweifeln,<br />
dass ein amtierendes Parlament in der Lage wäre, dem Gr<strong>und</strong>gesetz den<br />
wesentlichen neuen Gehalt zu geben, welchen das Volk allenfalls erwarten<br />
kann.“ 15<br />
Da das Parlament für Totalrevisionsarbeiten nicht geeignet erscheint, empfahl die<br />
Wahlen-Kommission mehrheitlich, die Einsetzung einer Konstituante „ernstlich in<br />
Erwägung zu ziehen“. 16 Dieser Vorschlag bringt indessen kaum<br />
7 UBS 346.<br />
8 SB S. 488.<br />
9 SB S. 487–492.<br />
10 SBS. 217 f., 225 f.<br />
11 SBS. 377–382.<br />
12 SBS. 308–316.<br />
13 SB S. 598–605.<br />
14 SBS. 65, 112, 152.<br />
15 SB S. 688.<br />
16 SBS. 690,759.