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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Industrienationen weisen sprachliche Minderheiten auf, so Belgien, England, Frankreich,<br />

Italien, Kanada, Norwegen, Spanien. Zwar bestehen in einzelnen dieser Länder<br />

akute Sprachenkonflikte, doch kann man anderseits nicht behaupten, dass<br />

einzig die Schweiz das Problem der sprachlichen Minderheiten zufriedenstellend<br />

gelöst habe.<br />

Das bipolare Modell lässt den gegenwärtigen Föderalismus bis auf die Zuständigkeit<br />

des Ständerates <strong>und</strong> die b<strong>und</strong>esstaatliche Kompetenzverteilungsregel intakt.<br />

Es ist schwer vorstellbar, dass der Sprachfriede gerade von diesen beiden Elementen<br />

wesentlich abhängt. – Wie bereits erwähnt; haben sämtliche Parteien, die als<br />

Kristallisationspunkte für die beiden Pole des neuen Systems in Frage kommen, je<br />

eine Anhängerschaft in allen drei Sprachgebieten. Die Konkurrenzsituation im bipolaren<br />

Modell zwingt zudem die Parteien; auch hinsichtlich der Sprachgruppen verstärkte<br />

Integrationsfunktionen wahrzunehmen. Jene Partei, die systematisch die<br />

Interessen der romanischen Schweiz vernachlässigt oder den kulturellen Besonderheiten<br />

der französisch- <strong>und</strong> italienischsprachigen Schweizer nicht Rechnung<br />

trägt, wäre im Wahlkampf schwer benachteiligt. Im bipolaren Modell sind die Wahlkämpfe<br />

in der Regel Kopf-an-Kopf-Rennen, <strong>und</strong> die welschen Stimmen dürften<br />

häufig wahlentscheidend sein. Die sprachlichen Minderheiten werden dadurch zu<br />

„umworbenen Minderheiten“: Man darf annehmen, dass beide Parteien Teams von<br />

B<strong>und</strong>esratskandidaten in den Wahlkampf schicken, in denen die Romands überproportional<br />

vertreten sind.<br />

Schon der Konkurrenzmechanismus, aber auch die festgefügte Tradition, die seit<br />

jeher ein fre<strong>und</strong>eidgenössisches Verhältnis zwischen Sprachgruppen schafft; werden<br />

gewährleisten, dass die romanische Schweiz im bipolaren Modell nicht<br />

schlechter gestellt ist als in der jetzigen Ordnung. Um hier jedoch jeden Zweifel<br />

auszuräumen, schlagen wir zusätzliche verfassungsrechtliche Massnahmen vor: (1)<br />

Die Fixierung der B<strong>und</strong>esratszahl in der Verfassung ist gänzlich zu beseitigen, oder<br />

es ist lediglich eine Höchstzahl zu verankern, die bei 15 liegen könnte. – (2) Die<br />

Verfassung schreibt vor, dass mindestens ein Drittel der Regierungsmitglieder französischer<br />

oder italienischer Muttersprache sein müsse. 50 – (3) Des weitern wäre<br />

eine Verfassungsnorm zu erwägen, die bestimmt, dass B<strong>und</strong>espräsident <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esvizepräsident<br />

nicht der gleichen Muttersprache angehören dürfen. – (4) Die<br />

jetzige Bestimmung, wonach nicht mehr als ein B<strong>und</strong>esrat aus dem gleichen Kanton<br />

stammen darf, ist zu beseitigen. – Die Parteien, das Parlament <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>espräsident<br />

wären also von Verfassungs wegen gehalten, bei der Regierungsbildung<br />

einen bestimmten Sprachenproporz zu beachten.<br />

Wenn es richtig ist, dass sich die politischen Schwergewichte vom Parlament auf<br />

die Exekutive verlagert haben, so ist das Postulat naheliegend, die Repräsentativkraft<br />

der Regierung zu erhöhen. Mit der Vergrösserung des Regierungskollegiums<br />

soll gerade dieser Effekt erzielt werden. In einer erweiterten Regierung wäre<br />

beispielsweise dauernd Platz für einen Tessiner B<strong>und</strong>esrat. Aber auch andere Bevölkerungsteile,<br />

die nur schwerlich direkte Vertretung in einem Siebner-B<strong>und</strong>esrat<br />

erlangen können, hätten bei der vorgeschlagenen Lösung bessere Chancen, so<br />

etwa die Frauen. Bei Beibehaltung des jetzigen Systems<br />

50 Der Anteil der Französisch- <strong>und</strong> Italienischsprachigen an der schweizerischen Bevölkerung liegt bei 25<br />

Prozent.

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