Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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lapidarer Weise fest, dass Verbandseinflüsse sich wechselseitig neutralisierten. 51 –<br />
In ihrer Argumentation gegen das Berufsparlament übernahm die Wahlen-<br />
Kommission an erster Stelle eine Behauptung des Vororts des Schweizerischen<br />
Handels- <strong>und</strong> Industrievereins. Darnach würde diese Neuerung die Gefahr heraufbeschwören,<br />
dass „ die neue Berufsrichtung der Soziologen <strong>und</strong> der Politologen in<br />
den Kern eines Berufsparlaments vorstossen könnte <strong>und</strong> dass damit die sogenannte<br />
Volksnähe des Parlaments in Frage gestellt würde.“ 52 Anderseits lehnte die<br />
Kommission es ab, den Ausländern politische Rechte zuzugestehen; denn: „Beim<br />
Ausländer fehlen vor allem die soziologischen Voraussetzungen für die Ausübung<br />
dieser Rechte.“ 53 – Kategorische Behauptungen stellte die Kommission hinsichtlich<br />
der optimalen Zahl der B<strong>und</strong>esräte auf:<br />
„Das wahrscheinlich idealste Gremium für die Regierungstätigkeit dürfte sieben<br />
Mitglieder umfassen. Dies belegen die kantonalen, die eidgenössischen, die<br />
ausländischen <strong>und</strong> die privatwirtschaftlichen Erfahrungen; vor allem ist es auch<br />
ersichtlich in denjenigen Staaten, die grosse Ministerien haben <strong>und</strong> daraus ein<br />
leitendes Kabinett ausscheiden.“ 54<br />
Die einzelnen Kommissionsreferenten haben in unterschiedlichem Ausmass die<br />
eigene Autorität als Wissenschafter zur Stützung ihrer Argumentation ins Feld geführt.<br />
Die variierende Häufigkeit von Verweisungen auf einschlägige Fachliteratur<br />
mag ein Indikator für Verhaltensunterschiede in diesem Bereiche sein. Genaue<br />
Literaturverweise finden sich allerdings nur in der hektographierten Fassung der<br />
betreffenden Referate; im gedruckten Schlussbericht sind sie fast ausnahmslos<br />
eliminiert. Unter den Autoren, die sich mit dem „Regierungssystem“ befassten,<br />
bildete Alessandro Crespi das eine Extrem. Sein Referatsentwurf enthält mehr als<br />
fünf Dutzend Verweise auf Literaturstellen; dieser Autor zitierte sogar vereinzelte<br />
nicht-juristische Werke. – Louis Guisan nannte im Entwurf ausdrücklich zwei wissenschaftliche<br />
Werke; in der gedruckten Fassung erwähnte er überdies zwei weitere<br />
Autoren, ohne jedoch sie <strong>und</strong> ihre Bücher zu individualisieren. Beim einen handelt<br />
es sich um Leonhard Neidhart <strong>und</strong> dessen Buch Reform des B<strong>und</strong>esstaates, in<br />
welchem er die Abschaffung des Zweikammersystems fordert. 55 Josy Meier zitierte<br />
in ihrem Entwurf ein einziges <strong>und</strong> zwar nicht-juristisches Buch, jenes von Erich<br />
Gruner über Parteien in der Schweiz. – Hans Stadler <strong>und</strong> Kurt Eichenberger verzichteten<br />
gänzlich auf Literaturhinweise. Immerhin verwies Eichenberger pauschal<br />
auf Hongler- <strong>und</strong> Huber-Bericht. Diese Dokumente enthalten indessen auch keinen<br />
wissenschaftlichen Apparat. Vielmehr findet sich in der Einleitung zum HuberBericht<br />
folgende Bemerkung:<br />
„Da der Expertenbericht seiner Bestimmung gemäss keine wissenschaftliche<br />
Abhandlung sein kann, muss er unter anderem auf eine Theorie der Regierungs-<br />
<strong>und</strong> Verwaltungsorganisation in deren strukturellen <strong>und</strong> funktionellen Seiten<br />
verzichten. Die Expertenkommission glaubt indessen, ihr wissenschaftliches<br />
F<strong>und</strong>ament tief <strong>und</strong> fest genug gelegt zu haben.“ 56<br />
51 SB S. 485.<br />
52 SB S. 484. Siehe auch V–VHI 51 sowie oben Seite 77. 53 SB S. 224.<br />
54 SB S. 523.<br />
55 SB S. 444; Neidhart, Reform (op. cit.), S. 131.<br />
56 Huber-Bericht, S. 3.