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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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absehbare Zeit konstant bleiben. Beispielsweise wird vorausgesetzt, dass die Apathie<br />

des Publikums gegenüber dem Totalrevisionsunternehmen fortbesteht, dass<br />

keine organisierten Gruppen zur Durchsetzung bestimmter Reformziele entstehen,<br />

dass keine als schwere Krise empf<strong>und</strong>ene politische Lage entsteht.<br />

Der zweite Vorbehalt sei lediglich der theoretischen Vollständigkeit wegen angeführt.<br />

Er kann mit dem Stichwort „self-defeating prophecy“ gekennzeichnet werden.<br />

6 Die blosse Tatsache, dass mit einiger Überzeugungskraft der Verlauf von<br />

Ereignissen vorhergesagt wird, kann diesen Verlauf beeinflussen. In unserem konkreten<br />

Falle lassen sich politische Akteure vorstellen, die mit dem vorhergesagten<br />

Ereignisablauf nicht einverstanden sind <strong>und</strong> deshalb wegen der Vorhersage die<br />

<strong>Innovation</strong>schancen in der entgegengesetzten Richtung zu beeinflussen suchen. –<br />

Es wird angenommen, dass die vorliegende Prognose keinen selbstaufhebenden<br />

Effekt besitzt.<br />

b) Die Zementierung des Status quo<br />

Viele Sozialwissenschafter unterhalten sich damit, mit grossem Aufwand entweder<br />

das gänzlich Triviale oder aber das ohnehin Offenk<strong>und</strong>ige zu beweisen. Vielleicht<br />

könnte man einen solchen Vorwurf gegen diese Untersuchung erheben. Die vorgelegte<br />

Prognose dürfte einen über schweizerische Politik wohlinformierten Beobachter<br />

kaum überraschen. Der Verfasser fragte einen gewiegten Kenner der politischen<br />

Szene in der Schweiz nach seiner Meinung über das Totalrevisionsunternehmen<br />

<strong>und</strong> erhielt die spontane Antwort: „Das Ganze ist ein Hornberger Schiessen.“ Daraus<br />

könnte man folgern, dass das Wahlen-Unternehmen politisch irrelevant <strong>und</strong><br />

daher keiner besonderen Beachtung würdig ist.<br />

Nach Meinung des Verfassers besitzt das untersuchte Revisionsunternehmen jedoch<br />

eine erhebliche politische Bedeutung. Es verhält sich nämlich keineswegs<br />

indifferent zur Frage der <strong>Innovation</strong> im staatlichen Gefüge: Auch wenn es zu keinen<br />

signifikanten institutionellen Neuerungen führt, bleibt der politische Status quo ante<br />

keineswegs weiterbestehen. Das Unternehmen absorbierte nämlich politische E-<br />

nergie, die sich erst nach längerer Wartezeit zu einem erneuten Anlauf wieder mobilisieren<br />

liesse. Im konkreten Fall wurde sogar beträchtliche Energie in das mit<br />

ansehnlichem Personal- <strong>und</strong> Propagandaaufwand arbeitende Unternehmen gesteckt.<br />

Ein resultatloses Totalrevisionsverfahren verbaut für geraume Zeit den Weg<br />

für eine neue derartige Anstrengung, selbst wenn diese dringend geboten erschiene.<br />

Vielleicht hat das Unternehmen ganz allgemein Reformenergien absorbiert, die<br />

sinnvoller hätten investiert werden können. – Auch ein erfolgloses Revisionsunternehmen<br />

vermag einen Lernprozess einzuleiten. Möglicherweise betrachteten nicht<br />

alle Zuschauer <strong>und</strong> Akteure das Unternehmen von Anfang an mit der gleichen Illusionslosigkeit,<br />

sondern setzten vorerst gewisse Erwartungen darein. Sie könnten es<br />

nun als Lektion dafür auffassen, dass substantielle Änderungen im Staatsgefüge<br />

der Schweiz durch Totalrevision praktisch unmöglich sind. Die Wahlen-Kommission<br />

verdeut-<br />

6 Siehe hiezu: Donald A. Schon, „Forecasting and Technological Forecasting“, in: Daniel Bell (Hrsg.),<br />

Toward the Year 2000: Work in Progress, Beacon Press, Boston 1969, S. 136; Fred Charles Ikle, „Can<br />

Social Predictions Be Evaluated „, in: Bell, op. cit., S. 110 f.

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