Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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mindestens annäherungsweise – auf die gleiche Ebene vorgerückt wie die B<strong>und</strong>esräte.<br />
– Ein aufgewerteter, aber isolierter Kanzler vermag die Leistungsfähigkeit<br />
der schweizerischen Regierung kaum zu verbessern. Vielmehr ist ein kontraproduktives<br />
Resultat zu erwarten: Zu den sieben „Departementsregierungen“<br />
gesellt sich noch eine achte, die „Kanzlerregierung“.<br />
(3) Die Experten der Huber-Kommission unterschieden zwei Haupttypen von Regierungskollegien:<br />
das sich selbst bewegende (automatische oder selbsttätige) Kollegium,<br />
dessen Mitglieder einander völlig gleichgestellt sind, <strong>und</strong> das geführte Kollegium,<br />
in welchem der Präsident mehr oder weniger stark hierarchisch abgehoben<br />
ist <strong>und</strong> eine Steuerungsfunktion gegenüber den Regierungskollegen wahrzunehmen<br />
vermag. Des weiteren glaubten die Experten, ein rein quantitatives Kriterium<br />
gef<strong>und</strong>en zu haben, das den Entscheid gestattet, ob ein selbsttätiges Kollegium<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich noch funktionstüchtig ist oder ob es der „Stagnation“ verfällt: Solange<br />
das Kollegium nicht mehr als sieben Mitglieder zählt, bestünden reale Chancen, es<br />
mit geeigneten Hilfsmitteln gleichzeitig „selbsttätig“ <strong>und</strong> effizient zu erhalten. Schon<br />
bei neun Mitgliedern nehme die Chance auf effiziente Selbsttätigkeit ab <strong>und</strong> der<br />
Zwang zu einer gewissen Hierarchisierung verstärke sich. Bei elf Mitgliedern<br />
schliesslich sei Selbsttätigkeit nicht mehr möglich <strong>und</strong> Hierarchisierung unumgänglich.<br />
Die Siebenzahl der Kollegiumsmitglieder wird somit zur „magischen Schwelle“<br />
erhoben; jeder Kollegiumsausweitung muss sich widersetzen, wer eine handlungsfähige<br />
Regierung wünscht.<br />
Die Schwellentheorie der Huber-Kommission besitzt nur geringe Überzeugungskraft.<br />
Schon ein Dreierkollegium – auch ein hierarchisiertes – kann der Paralyse<br />
verfallen, wenn es genügend heterogen zusammengesetzt ist. Anderseits lässt sich<br />
durchaus vorstellen, dass selbst eine zwanzigköpfige Regierungsmannschaft noch<br />
effizient zu regieren vermag, ohne auf eine ausgeprägte Hierarchisierung angewiesen<br />
zu sein, sofern gewisse Bedingungen gegeben sind, es sich beispielsweise um<br />
eine geschlossene Einparteienregierung handelt, die einer wirksamen politischen<br />
Verantwortlichkeit unterworfen ist. Neben dem Grad der Homogenität, der Form der<br />
politischen Verantwortlichkeit <strong>und</strong> weiteren Faktoren spielt wahrscheinlich die schiere<br />
Anzahl der Regierungsmitglieder eine gänzlich untergeordnete Rolle für die Bestimmung<br />
von Regierungseffizienz. Fehlt es an einer wirksamen politischen Verantwortlichkeit<br />
der Regierung <strong>und</strong> bildet diese ohnehin eine permanente Grosse<br />
Koalition – wie im Falle der Schweiz -, so bleibt ihre Steuerungskapazität gering,<br />
welches auch immer ihre Mitgliederzahl sein mag. Die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit<br />
bei einer Fünfter-, Siebner-, Neuner- oder Elferregierung nach<br />
schweizerischem Muster dürften so gering sein, dass man sie ruhig vernachlässigen<br />
kann. Dass es irgendwo eine numerische Schwelle gibt, die man ohne Gefahr<br />
eines signifikanten Abfallens der Regierungseffizienz nicht überschreiten kann, sei<br />
hier nicht bestritten; doch liegt diese Schwelle wahrscheinlich näher bei 25 als bei<br />
7.<br />
Akzeptiert man die Schwellentheorie der Huber-Kommission als zutreffend, so<br />
erscheint die Kanzleraufwertung in einem sonderbaren Zwielicht. Gelingt es dem<br />
Kanzler, das Kollegium zu einem Führungsteam zu integrieren – was unwahrscheinlich<br />
ist –, so haben wir es mit einem „(aussen-)geführten“ Kollegium zu<br />
tun. Gelingt ihm dies nicht, vermag er aber seine aufgewertete Stellung