Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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ersten Blick mag das explizite Herausstellen dieser Annahme als unnötig pedantisch<br />
erscheinen. Bei genauerem Zusehen mögen indessen Zweifel über die „Leistungsfähigkeit<br />
von Verfassungsrecht“ entstehen. Der zweite Teil wird unter anderem<br />
diese Frage auszuloten versuchen.<br />
Totalrevision braucht nicht unbedingt etwas mit <strong>Innovation</strong>schancen zu tun zu haben.<br />
„Totalrevision der B<strong>und</strong>esverfassung“ ist vorerst ein juristischer Begriff, bei<br />
dem es strittig ist, ob er überhaupt in praktisch nützlicher Weise materiell definiert<br />
werden kann. Was der Jurist anbieten kann, ist in erster Linie eine Formaldefinition:<br />
„La révision est totale lorsqu’une nouvelle Constitution vient remplacer l’ancienne.<br />
En d’autres termes, quand la révision est totale, tous les articles de la Constitution<br />
sont compris dans l’opération, même si, pour finir, plusieurs d’entre eux ne subissent<br />
aucun changement.“ 9 Man kann auch – beinahe tautologisch – wie folgt formulieren:<br />
Eine Totalrevision liegt vor, wenn sie in dem von der Verfassung vorgesehenen<br />
Verfahren für Totalrevisionen zustande gekommen ist. – Auf die Schwierigkeit,<br />
materielle Kriterien für den Totalrevisionsbegriff zu finden, braucht hier nicht eingegangen<br />
zu werden, ebenso erübrigt es sich für die Zwecke dieser Untersuchung,<br />
das Konzept „Totalrevision“ zu operationalisieren. Immerhin soll der Ausdruck im<br />
folgenden mit einer Elastizität verwendet werden, bei welcher die Intention, signifikante<br />
Strukturänderungen im schweizerischen Staatsgefüge auf dem Wege einer<br />
Generalüberholung der B<strong>und</strong>esverfassung zu erreichen, nicht zum vornherein ausgeklammert<br />
ist. – Leonhard Neidhart scheltet „Totalrevision“ einen „monströsen<br />
Ausdruck“, weil das Wort – mindestens bei Nicht-Juristen – Assoziationen der Bedrohung<br />
<strong>und</strong> der Destruktion gegen politische Institutionen erwecke. 10 So inhaltsarm<br />
der juristische Begriff der Totalrevision sein mag, als politische Vokabel kann<br />
<strong>und</strong> soll er indessen nicht gänzlich der Virulenz entbehren. Es ist durchaus die<br />
Absicht des Autors, bei der Verwendung des Wortes eine Saite des Beunruhigenden<br />
mitschwingen zu lassen, indem er es mit Innova-.tionschancen assoziiert.<br />
1. Die Ziele des Reformunternehmens<br />
a) Theoretische Überlegungen<br />
<strong>Innovation</strong>schancen hangen bis zu einem gewissen Grad von der Art <strong>und</strong> Weise<br />
der Zielformulierung ab. Vorstellungen über „Mittel-Ziel“-Beziehungen vermögen<br />
Verhaltensweisen <strong>und</strong> Aktivitäten zu integrieren <strong>und</strong> koordinieren <strong>und</strong> verleihen<br />
damit Erfolgschancen. Ziele werden sich dabei in einem Hierarchieverhältnis befinden:<br />
Ein naheliegendes Ziel erscheint als Mittel für ein ferneres Ziel. Je „entfernter“<br />
ein Ziel von einer konkreten Massnahme ist, desto vager <strong>und</strong> unbestimmter wird<br />
seine Formulierung sein. Umgekehrt können Massnahme <strong>und</strong> angestrebtes Ziel so<br />
„nahe“ sein, dass sie sich kaum auseinanderhalten lassen. 11<br />
9 Jean-François Aubert, Traité de droit constitutionnel suisse, Vol. I, Neuchâtel 1967, S. 140.<br />
10 Leonhard Neidhart, Reform des B<strong>und</strong>esstaates – Analysen <strong>und</strong> Thesen, Bern 1970, S. 17.<br />
11 Herbert A. Simon, Administrative Behavior – A Study of Decision-Making Processes in Administrative<br />
Organisation, 2. Aufl., The Free Press, New York 1965, Abschnitt „Means and Ends“, S. 62–65.