Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac
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6. Die Realisierungschancen des Modells<br />
Unsere Standards für die Herstellung von Verfassungsmodellen unterscheiden die<br />
theoretische Verwirklichungsmöglichkeit eines Modells von den politischpraktischen<br />
Chancen seiner Realisierung. Wir haben aufgezeigt, dass institutionelle Bipolarisierung<br />
in der Schweiz gr<strong>und</strong>sätzlich machbar ist, <strong>und</strong> zwar ohne Gefährdung der<br />
wesentlichen Errungenschaften schweizerischer Politik, die wir in den Randbedingungen<br />
enumerierten. Es bleibt uns noch die Frage zu klären, ob <strong>und</strong> welche<br />
Chancen der Realisierung unser Modell in der Schweiz besitzt.<br />
a) Die kurzfristigen Realisierungschancen<br />
Die Realisierungschancen eines Reformprojektes kann man vorerst einmal analysieren,<br />
indem man prüft, wie die strategisch günstig plazierten Gruppierungen <strong>und</strong><br />
Interessen durch die Reform tangiert werden, beziehungsweise wie sie die Auswirkungen<br />
der Reform auf sich selbst perzipieren. Für eine Reform ist eine genügend<br />
starke Koalition „strategischer Gruppen“ notwendig; bestehen keine Aussichten für<br />
eine solche Koalition, so hat das Projekt keine Chancen. – Um unsere Schlussfolgerung<br />
vorweg zu nehmen: kurzfristig, das heisst für die nächsten fünf bis sieben<br />
Jahre, sind die Realisierungschancen für das bipolare Modell äusserst gering oder<br />
gleich Null.<br />
(1) Die Kleinparteien, von den Kommunisten, Evangelischen, Überfremdungsgegnern<br />
bis hin zu Landesring <strong>und</strong> Volkspartei (ehemals BGB), werden das bipolare<br />
Modell zweifellos unisono verdammen, weil es eine Konzentration auf zwei grosse<br />
Parteien anstrebt. Die von dieser Seite zu erwartende Argumentation ist leicht zu<br />
erraten: Ein Zweiparteiensystem könne die „Vielfalt der Schweiz“ nicht repräsentieren;<br />
Minderheiten würden unterdrückt; der Majorz sei „ungerecht“ usw. – Die Überfremdungsgegner,<br />
die wegen der Institution der Verfassungsinitiative einen Einfluss<br />
gewonnen haben; der über ihre Stimmkraft im Parlament erheblich hinausgeht,<br />
dürften sich besonders vehement gegen die vom Modell angestrebte Bipolarisierung<br />
wenden, schon deswegen, weil diese die Überfremdungsthematik weniger in<br />
den Vordergr<strong>und</strong> stellen <strong>und</strong> dafür andere Konflikte aktualisieren würde. Von den<br />
Überfremdungsgegnern ist zu erwarten, dass sie das derzeitige Institutionengefüge<br />
mit der nationalen Substanz der Schweiz gleichsetzen <strong>und</strong> dem bipolaren Modell<br />
Anpasserei ans Ausland, Aufgabe schweizerischer Eigenart, nationalen Identitätsverlust<br />
<strong>und</strong> Verrat am Vätererbe vorwerfen. Ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung<br />
dürfte auf solche Slogans ansprechbar sein.<br />
(2) Die drei „traditionellen“ Parteien werden das bipolare Modell wahrscheinlich<br />
etwas nuancierter betrachten. Immerhin hält es Antworten auf eine Reihe von Fragen<br />
bereit, welche die drei grossen Parteien wohl als legitim bezeichnen müssen.<br />
So dürften diese eingestehen, dass das Regieren mit dem Zauberformel-B<strong>und</strong>esrat<br />
zusehends schwieriger wird <strong>und</strong> dass die Lage sich noch verschlimmert, sofern die<br />
parlamentarische Basis der vier Regierungsparteien wei-