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Politische Innovation und Verfassungsreform - Badac

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Teile“ zu reden. – Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass bezüglich des vorgeschlagenen<br />

Reformfeldes in jüngster Zeit Reformbedürfnisse in beschleunigter<br />

Kadenz angemeldet wurden. Reformen von Regierung, Parlament, Verwaltung,<br />

Referendum, Parteien waren in den letzten Jahren Gegenstand von parlamentarischen<br />

Vorstössen <strong>und</strong> Regierungsmassnahmen in bisher nicht gesehener Häufung.<br />

– In der Umfrage der Wahlen-Kommission brachten r<strong>und</strong> 60 Prozent der befragten<br />

Instanzen im ganzen 56 als „radikal“ zu bezeichnende Reformvorschläge im Bereich<br />

unseres Reformfeldes ein.<br />

Innerhalb des ausgeschiedenen Feldes ist es nicht allzu schwierig, zwei Dimensionen<br />

der Reformproblematik zu erkennen. Die beiden Dimensionen lassen<br />

sich in vorerst vager Grobcharakterisierung mit „Krise der Demokratie“ <strong>und</strong> mit<br />

„Krise der staatlichen Leistungsfähigkeit“ umschreiben. In seinem Büchlein Helvetisches<br />

Malaise 3 , das zur Auslösung der Totalrevisionsdebatte in der Schweiz wesentlich<br />

beitrug, sprach Max Imboden einerseits von „verweigerter demokratischer<br />

Teilnahme“ sowie von „fehlenden <strong>und</strong> fragwürdigen Volksrechten“ <strong>und</strong> anderseits<br />

von der „abnehmenden Leistung von Staat <strong>und</strong> Verwaltung“. – Im folgenden sollen<br />

die beiden Dimensionen der Reformproblematik kurz skizziert werden. Ein theoretisch<br />

vertiefter Analyseansatz sei später versucht.<br />

a) Krise der Demokratie<br />

Nach dem in der westlichen Welt dominierenden Demokratieverständnis gehört es<br />

zur Substanz der Demokratie, dass der Bürger in regelmässigen Abständen mit<br />

dem Wahlzettel direkt oder indirekt Einfluss nehmen kann auf die personelle Zusammensetzung<br />

der Regierung. Ihrem Wortlaut nach widerspricht die schweizerische<br />

B<strong>und</strong>esverfassung diesem Gr<strong>und</strong>satz zwar nicht, in der Staatspraxis ist er<br />

jedoch ausser Kraft gesetzt. Das sogenannte „Kollegialitätsprinzip“, das sieben<br />

gleichgestellte Regierungsmitglieder verlangt, ermöglicht „Koalitionsregierungen<br />

ohne Koalitionsvertrag“. 4 B<strong>und</strong>esräte werden faktisch auf Lebenszeit gewählt; dem<br />

einzelnen Regierungsmitglied ist es überlassen, den Zeitpunkt seines Ausscheidens<br />

aus dem Amt selbst zu bestimmen. 5 Das Parlament ernennt B<strong>und</strong>esräte einzeln,<br />

nach Massgabe der anfallenden Vakanzen, ohne Bezug auf ein Partei- oder<br />

Regierungsprogramm, ohne Bezug auf die Anschauungen der bereits amtierenden<br />

B<strong>und</strong>esräte. Die durch das Proporzwahlrecht bedingte Stabilisierung der Parteistärken<br />

führte zu einem festen Verteilungsschlüssel, nach welchem die Regierungssitze<br />

den vier grössten Parteien zuerkannt werden<br />

2 Neidhart, Plebiszit (op. cit.); Klaus Schumann, Das Regierungssystem der Schweiz, Köln 1971; Erich<br />

Gruner, Die Parteien in der Schweiz, Bern 1969, besonders S. 25–43.<br />

3 Max Imboden, Helvetisches Malaise, Zürich 1964, S. 6 ff., 11 ff., 19 ff.<br />

4 Erich Gruner, Regierung <strong>und</strong> Opposition im schweizerischen B<strong>und</strong>esstaat, Bern 1969, S. 36.<br />

5 Unter der Verfassung von 1848 wurden im ganzen zwei die Wiederwahl suchende B<strong>und</strong>esräte nicht<br />

wiedergewählt: Ochsenbein <strong>und</strong> Challet-Venel. Siehe: Karl Stengel, „B<strong>und</strong>esräte in Ungnade“, NZZ, Nr.<br />

84, 20.2.73, S. 17. Unter der derzeitig geltenden Verfassung von 1874 wurden atle Regierungsmitglieder,<br />

die sich zur Wiederwahl stellten, bestätigt.

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